Im Wahlkampf trat der Luxemburger kaum in Erscheinung. Bis Schmit Kommissionspräsidentin von der Leyen attackierte: Wegen ihrer mangelnden Abgrenzung nach rechts.
Er wirkt wie der nette Onkel von nebenan: Nicolas Schmit, der Spitzenkandidat der europäischen Sozialdemokraten, macht einen sympathisch-zurückhaltenden Eindruck. Der 70-jährige Luxemburger gebe sich so leise, als wolle er sich verstecken, sagen seine Kritiker. Tatsächlich brauchte Schmit, der seit 2019 als EU-Sozialkommissar in Brüssel arbeitet, einige Zeit, um aus dem Schatten seiner mächtigen Chefin Ursula von der Leyen herauszutreten.
Auf SPD-Wahlplakaten taucht Schmit weiterhin nicht auf – die Genossen setzen auf Kanzler Olaf Scholz und ihre Spitzenkandidatin Katarina Barley. Auch in seinem Heimatland Luxemburg hat er es schwer, denn in der Regierung sind die Sozialdemokraten nicht mehr vertreten.
Der promovierte Ökonom punktete in Brüssel und übte bei einer TV-Debatte im Europaparlament scharfe Kritik. Schmit warf von der Leyen vor, sich nicht klar von rechten Parteien zu distanzieren und etwa mit ihren Flüchtlingsdeals mit Tunesien europäische Werte zu verraten. In Interviews ging er sogar noch weiter: Von der Leyen habe die EU-Kommission in den vergangenen fünf Jahren autokratisch geführt und ihr „Team Europa“ nicht an wichtigen Entscheidungen beteiligt. Es klang fast so, als wolle er die Zusammenarbeit mit seiner deutschen Chefin beenden. Dabei hätten sie gemeinsam viel erreicht.
Unter Schmits Ägide hat sich die EU-Kommission für die Angleichung und Erhöhung von Mindestlöhnen stark gemacht und die Plattformarbeit bei Uber & Co. reguliert. Er selbst hätte bei seinem Wechsel nach Brüssel nicht geglaubt, dass er so viel erreichen würde, sagt Schmit. Das Erreichte ist allerdings in Gefahr – nicht zuletzt wegen der neuen EU-Schuldenregeln, die Länder wie Frankreich und Belgien zu Sozialkürzungen zwingen. Der EU-Sozialkommissar, der zuvor Arbeitsminister in Luxemburg war, muss um sein politisches Erbe fürchten.
Für Schmit zählt das große Ganze
Selbst seine eng mit Schmit zusammenarbeitenden Mitstreiter sagen, er habe gegen von der Leyen keine Chance. Sein eigentliches Ziel ist es, Vizepräsident zu werden – oder die Nachfolge von Chefdiplomat Josep Borrell anzutreten und den Auswärtigen Dienst zu leiten. Dafür allerdings müsste der unscheinbare Mann aus Differdingen, der in seiner Freizeit gern mit seinen Hunden durch die Lande streift und einen Geländewagen nutzt, von der konservativen Regierung in Luxemburg nominiert werden.
Doch sie haben bereits einen anderen Kandidaten, einen Kandidaten der Christlich-Sozialen Partei. Wenn es schlecht läuft, könnte Schmit am Ende leer ausgehen. Für ihn heißt es alles oder nichts. Seine Genossen wollen von der Leyen politische Bedingungen für eine zweite Amtszeit stellen – welche Rolle Schmit dabei spielen kann, ist unklar.