Europawahl 2024: Warum die Wahl besonders für Frauen wichtig ist
Am 9. Juni 2024 findet die Europawahl statt. Warum du unbedingt wählen solltest und wie du möglichst feministisch deine Stimme abgibst, erklären wir hier.
Der schockierende Vorfall auf Sylt, bei dem eine Gruppe privilegierter junger Leute in einer schicken Bar rassistische Parolen rief, verbreitete sich wie ein Lauffeuer in den sozialen Medien. Ausländer raus? Viele User zeigten sich schockiert über die rassistische Forderung der Gruppe. Dabei zeigt der Clip einfach sehr deutlich, was längst klar sein müsste: Deutschland hat ein Problem. Mit rechter Hetze. Mit Rassismus. Mit Frauen- und Menschenfeindlichkeit. Und dieses Problem zieht sich durch alle Schichten der Gesellschaft – egal ob Schützenfest-Teilnehmer in Springerstiefeln oder Sylt-Urlauber im Poloshirt.
Sylt zeigt, wo wir stehen
So gesehen kann man für Sylt fast dankbar sein. Denn der Vorfall macht deutlich, wo wir uns so kurz vor der Europawahl befinden – und er rüttelt hoffentlich den einen oder anderen unentschlossenen Wähler auf. Denn es ist nicht nur salonfähig geworden, „Ausländer raus“ zu skandieren und das Ganze offen im Internet zu teilen (was vor ein paar Jahren noch weniger vorstellbar gewesen wäre). Nein, in Deutschland, oder besser gesagt in ganz Europa, sind rechte Kräfte auf dem Vormarsch und verbreiten populistische, rassistische, antifeministische und antidemokratische Ansichten. Wenn diese Parteien an Einfluss gewinnen, kann es passieren, dass mühsam erkämpfte Fortschritte wieder zunichte gemacht werden.
Gleichberechtigung ist eine der obersten Prioritäten der EU und sollte nicht verhandelbar sein. Parteien wie die AfD stellen diesen unverzichtbaren Bestandteil der Demokratie jedoch immer wieder infrage. Sie wollen eine Gesellschaftsordnung etablieren, die den weißen Cis-Mann privilegiert und alle anderen unterdrückt, darunter auch Menschen mit Migrationshintergrund, queere Menschen, Behinderte und Frauen. Laut dem Deutschen Frauenrat brauchen diese benachteiligten Gruppen besondere Unterstützung und Schutz ihrer Rechte von Europa aus. Verteidigung fordert deshalb unter anderem, „Rechtspopulismus, Rechtsextremismus, gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit und Genderthemen gemeinsam zu betrachten und entsprechende Schutzmaßnahmen im politischen Rahmen zu etablieren“.
Deshalb ist Ihre Stimme wichtig
Das Frauenbild sehr rechter Parteien wie der AfD ist eindeutig rückwärtsgewandt – etwa in den 50er Jahren angesiedelt. Mitglieder dieser Parteien stellen sich aktiv gegen Fortschritte in der Frauenpolitik, so dass man meinen könnte, sie wollten die Uhr zurückdrehen, Frauen und Randgruppen alle Rechte nehmen – und sie zurück an den Herd schicken. Für Maximilian Krah, den Spitzenkandidaten der AfD für die Europawahl, ist dies tatsächlich die Idealvorstellung. In seine Rede Beim politischen Aschermittwoch in Osterhofen traute er sich, Aussagen zu machen wie „Als richtige Männer wollen wir richtige Frauen“ und „Feministinnen sind alle hässlich und abscheulich“. Intersektionaler Feminismus, also ein Feminismus, der alle Menschen berücksichtigt, die (auch mehrfach) diskriminiert werden – dazu zählen Schwarze Frauen, Trans*frauen, nichtbinäre Menschen und viele mehr – ist für die Gleichberechtigung unabdingbar.
Die AfD will das jedoch verhindern. Sie sieht die patriarchale Ordnung als selbstverständlich an, der Mann arbeitet, Frauen sollen sich um Haushalt und Kinder kümmern. Selbstbestimmung hat hier keinen Platz, ebenso wenig wie LGBTQ+-Rechte. Stattdessen „traditionelle Familie“ Vater, Mutter und Kinder. Deshalb setzt die Partei auf „eine höhere Geburtenrate der einheimischen Bevölkerung“ statt auf Einwanderung. Forderungen wie diese können helfen, Politisches Programm Mutterschaft gehört zum „Frausein“ dazu, oder besser: Mutterschaft gehört hauptsächlich dazu. Dass ungewollt schwangeren Frauen die Abtreibung verwehrt werden soll und Alleinerziehende – 90 Prozent davon sind Frauen – nur unter bestimmten Voraussetzungen staatliche Unterstützung erhalten sollen, ist wenig überraschend. Und das sind nur Auszüge aus dem Wahlmanifest.
Feministisch wählen – so geht’s
In Deutschland sind 96 der 720 Abgeordneten des Europaparlaments gewählt, man kann sie wählen. Auch wenn die Europawahl oft als weniger wichtig angesehen wird, werden auf EU-Ebene viele Entscheidungen getroffen, die direkte Auswirkungen auf das Geschehen hier haben. Wählen zu gehen ist wichtig, denn unsere hart erkämpften Rechte sind keineswegs selbstverständlich, sondern müssen immer wieder verteidigt werden. Der Deutsche Frauenrat (DF) hat deshalb die Wahlprogramme der verschiedenen Parteien auf Frauenrechte geprüft – die AfD wurde ausgeschlossen, da sie als nicht wählbar galt.
1. Gleichstellung der Geschlechter bis 2030
Nachfrage DF: Bekenntnis zu Demokratie, Geschlechtergerechtigkeit, Diversität und Rechtsstaatlichkeit und gegen Diskriminierung. Die Rechte von Frauen und Mädchen müssen zum Leitprinzip europäischer Politik gemacht werden. Geschlechterstereotype, gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit, Sexismus und Diskriminierung dürfen keinen Platz mehr haben.
Frauenrechte
- Konkrete Vorschläge gegen Diskriminierung und Ausgrenzung und für ein vielfältiges Europa: SPD, B’90/Die Grünen, FDP und Die Linke
- „Frauenrechte, die Rechte von People of Color sowie die Rechte von Menschen mit Behinderung und LGBTIQ+-Personen sind Menschenrechte“: SPD
- Unterstützung für Frauenrechtsorganisationen (aus Ländern des Globalen Südens): B’90/Die Grünen
- Antisexismus-Regelungen im öffentlichen und privaten Sektor und länderübergreifende Monitoring-Projekte, um die Netzwerke der extremen Rechten im Blick zu behalten: Die Linke
- Enge Zusammenarbeit der EU im Kampf gegen Menschenrechtsverletzungen, Unterdrückung und gruppenbezogene Feindseligkeit mit den Menschenrechtsinstitutionen des Europarats, der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) und den Vereinten Nationen: FDP
Arbeitsmarkt und Sozialpolitik
- Konsequente Umsetzung der Entgelttransparenzrichtlinie und (monetäre) Aufwertung frauendominierter Pflegeberufe: SPD, B’90/Die Grünen und Die Linke
- Bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf: alle außer BSW (Bündnis Sahra Wagenknecht), aber unterschiedliche Vorschläge
Klima
- „Klimaneutral“ muss immer auch „sozial und geschlechtergerecht“ heißen: B’90/Die Grünen
- Gender Impact Assessments im Klimabereich: SPD und Die Linke
- Feministischer Green Deal: SPD
Händel
- Umverteilung der Care-Arbeit und Aufwertung der Care-Berufe: B’90/Die Grünen, Die Linke und SPD
- Starkes, menschenrechtsbasiertes Recht, Sicherung der Menschenrechte in einem Abkommen, Minimierung globaler Ungleichheit: SPD, B’90/Die Grünen, Die Linke
2. Einführung einer geschlechtsspezifischen Folgenabschätzung
Gender Mainstreaming – die Verpflichtung, bei allen Entscheidungen Gleichstellungsaspekte zu berücksichtigen – ist in der EU bereits verankert. Dazu gehören Aspekte wie gendergerechte Sprache, geschlechterbezogene Datenerhebung und -analyse und vieles mehr.
Nachfrage DF: Es muss in allen Politikbereichen eine konsequente Gender Impact Assessment-Analyse geben, die die geschlechtsspezifischen Auswirkungen jeder Maßnahme untersucht. Die Gleichstellung von Männern und Frauen muss dabei immer von Anfang an berücksichtigt werden, etwa für eine gerechte Verteilung der EU-Haushaltsmittel.
- Forderung nach Gender Budgeting: SPD und B90/Die Grünen
- Einführung von Gleichstellungschecks: B’90/ Die Grünen
- Größeres Budget und mehr Ressourcen im Bereich Gleichstellung: Die Linke
3. Gewalt gegen Frauen und Mädchen beenden
Nachfrage DF: Gewalt gegen Frauen und Mädchen ist die am weitesten verbreitete Menschenrechtsverletzung. Deshalb muss die Istanbul-Konvention, die Frauen und Mädchen vor Gewalt und Diskriminierung schützen soll, in ganz Europa umgesetzt werden.
Dieses Anliegen ist allen Parteien außer dem BSW ein Anliegen, das in ihren Wahlprogrammen unterschiedlich verankert ist.
- Ganzheitlicher Ansatz zur Gewaltbekämpfung, der Gewaltprävention und die Bekämpfung von Cybergewalt einschließt: SPD
- Gewaltschutz mit intersektionaler Perspektive: B’90/Die Grünen und Die Linke
- Forderung nach einer Richtlinie zur Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt: SPD und B’90/Die Grünen
4. Schutz und Stärkung der sexuellen und reproduktiven Gesundheit und Rechte
Nachfrage DF: Sexuelle und reproduktive Rechte sind Menschenrechte. Deshalb fordert die DF einen diskriminierungsfreien Zugang zu Gesundheitsleistungen und tritt für selbstbestimmte Familienplanung, Sexualaufklärung, uneingeschränkten Zugang zu Verhütungsmitteln und die Prävention geschlechtsspezifischer Gewalt, wie etwa Genitalverstümmelung von Mädchen und Frauen, ein.
CDU/CSU und BSW meiden dieses Thema gänzlich.
- Zugang zu sicheren Schwangerschaftsabbrüchen: SPD, B’90/Die Grünen, FDP und Die Linke
- Uneingeschränkter Zugang zu Verhütungsmitteln: SPD, B90/Die Grünen und Die Linke
- Legalisierung von Eizellspende und Leihmutterschaft, Aktionsplan Endometriose: FDP
- Schutz der Rechte und Gesundheitsversorgung queerer Menschen: Die Linke und B’90/Die Grünen
5. Die Rechte geflüchteter Frauen und Mädchen wirksam durchsetzen
Nachfrage DF: Gerade Frauen, Mädchen und queere Menschen gelten in einer europäischen Asylpolitik als vulnerable Gruppe und brauchen besonderen Schutz.
- Forderung nach Migrationskontrolle: (unterschiedliche Vorschläge): FDP, CDU/CSU und BSW
- Solidarische Flüchtlingspolitik, keine Auslagerung von Asylverfahren in Drittstaaten, Schaffung legaler und sicherer Fluchtwege: SPD, B’90/Die Grünen und Die Linke
- Faire Arbeitsbedingungen und Schutz vor Ausbeutung: B’90/Die Grünen, Die Linke
- Bedarfsgerechte Unterkünfte und Notunterkünfte für geflüchtete Frauen und ihre Kinder sowie für Trans* und queere Menschen: Die Linke
6. Feministische Außen- und Entwicklungspolitik
Forderung der DF: Die Gleichberechtigung der Geschlechter muss konsequent als Leitprinzip europäischer Außenpolitik berücksichtigt werden. Derzeit werden etwa die Mittel für feministische Entwicklungshilfe immer weiter gekürzt. Das darf nicht passieren.
Einzig SPD und B’90/Die Grünen haben die Forderung, die sich in weiten Teilen mit der DF deckt, in ihr Wahlprogramm aufgenommen.
Die detaillierten Forderungen des Deutschen Frauenrats finden Sie hier Hier Wenn Sie noch nicht gewählt haben, können Sie dies entweder am 9. Juni 2024 in einem Wahllokal tun oder einfach Briefwahl Wenn Sie noch unsicher sind, wie Sie Ihre Stimme abgeben möchten, Wahl-O-Mat.
Verwendete Quellen: frauen.verdi.de, blog.compact.de, taz.de, amnesty.at, spiegel.de, frauenrat.de