Die deutsche Wirtschaft profitiert von einer tieferen Integration des EU-Binnenmarktes, vor allem in den Bereichen Energie, Digital, Telekommunikation und Kapitalmarkt. Zudem gilt es, den Mittelstand zu stärken. Wir wollen zudem Bürokratie abbauen, indem wir Berichtspflichten für Unternehmen bündeln und die Bürokratiekosten durch einen unabhängigen Kontrollrat überwachen lassen.
Fast zwei Drittel der Wahlberechtigten sind einer Umfrage zufolge mit der EU-Politik unzufrieden. In welchen Bereichen der Europapolitik ist der Reformstau besonders groß?
In meinem Wahlkreis sehe ich das nicht. Die angesprochene Vertiefung des EU-Binnenmarktes ist für die wirtschaftliche Zukunft entscheidend. Hindernisse für den Waren-, Dienstleistungs- und Arbeitnehmerverkehr müssen endlich abgebaut werden. Ebenso dringend ist der Abbau von Bürokratie. Ein attraktiver Wirtschaftsraum braucht vertrauensvolle Regulierung und nicht die Schaffung sinnloser Berichtspflichten.
Der Krieg in der Ukraine hat die Frage einer unabhängigen Verteidigungs- und Außenpolitik in den Mittelpunkt gerückt. Warum sollten Regierungen bei diesem sensiblen Thema die Verantwortung an Brüssel abgeben wollen?
Geopolitische Veränderungen wie der Angriffskrieg Russlands und die Herausforderungen durch China erfordern eine stärkere Verteidigungsfähigkeit Europas. Die Unsicherheit über die US-Regierung macht die globale Sicherheitslage zusätzlich komplexer. Allerdings ist der Ausbau der Verteidigung eine gemeinsame europäische Aufgabe: Einzelne Staaten können sich kaum allein verteidigen. In jedem Fall ist eine verstärkte Zusammenarbeit, insbesondere bei der Entwicklung und Beschaffung militärischer Ausrüstung, ökonomisch sinnvoll und liegt daher im Interesse aller Mitgliedstaaten.
Bei der Europawahl werden Prognosen zufolge Rechtspopulisten stark zulegen. Wie handlungsfähig ist die internationale Staatengemeinschaft unter diesen Umständen?
Eine Mehrheit rechtspopulistischer Gruppen im EU-Parlament würde erheblichen Schaden anrichten. Diese Gruppen lehnen das europäische Projekt ab und kritisieren die Bemühungen der Europäischen Union, Demokratie und Rechtsstaatlichkeit zu verteidigen. Diese Parteien würden unsere Grundwerte ablehnen und die europäische Zusammenarbeit ernsthaft schwächen. Die Folgen wären verheerend: Ohne eine starke Gemeinschaft wären unsere Errungenschaften gefährdet, unsere Wirtschaft und unser Wohlstand stünden auf dem Spiel, ebenso wie unsere Sicherheit.
Der Green Deal der EU spaltet die Gemüter. Der Widerstand gegen eine politische Agenda, die Wirtschaft und Gesellschaft auf eine neue Basis stellen soll, wächst. Ist die Kritik berechtigt?
Wir bekennen uns zum Ziel der Klimaneutralität bis 2050. Die Frage nach dem „Wie“ ist bei der Anpassung unseres Wirtschaftssystems entscheidend. Für uns müssen Ökonomie und Klimaschutz als Einheit betrachtet werden. Die Transformation erfordert innovative Konzepte und marktwirtschaftliche Instrumente wie den Ausbau des Emissionshandelssystems und erneuerbarer Energien. Der europäische Green Deal muss zur Grundlage einer wettbewerbsfähigen und innovativen kohlenstoffarmen Wirtschaft weiterentwickelt werden. Nur so kann der Wandel erfolgreich gelingen.