Massud Peseschkian: Ein Gemäßigter ohne Macht?
Porträt
Der neue Präsident Irans heißt Massoud Peseschkian. Der 69-jährige Arzt gilt als eher gemäßigt – gegen den mächtigsten Mann des Landes wird er allerdings kaum etwas ausrichten können.
Viele nennen ihn „Doktor“. Doch der Herzchirurg hat schon lange nicht mehr operiert. 2001 tauschte er den Operationstisch gegen den Kabinettstisch und wurde Gesundheitsminister unter dem gemäßigten Präsidenten Mohammed Chatami. Nun hat Massoud Peseschkian die Präsidentenwahl im Iran gewonnen.
Peseschkian wurde 1954 in der Provinz West-Aserbaidschan geboren. Als Sohn einer kurdischen Mutter und eines aserbaidschanischen Vaters studierte er Medizin und diente als Soldat und Arzt im Ersten Golfkrieg. Es war wohl sein persönliches Schicksal, das ihm bei den Wählern Sympathiepunkte einbrachte: 1994 verlor er seine Frau und eines seiner Kinder bei einem Autounfall. Die übrigen Kinder zog er allein auf.
Hat Peseschkian Einfluss auf die Kleiderordnung?
Auffällig an ihm ist – im Vergleich zu anderen iranischen Würdenträgern – dass er keinen Bart trägt. Dies lässt ihn moderner und westlicher wirken.
Das heißt aber nicht, dass Frauen künftig kein Kopftuch mehr auf der Straße tragen müssen. Auch wenn Peseschkian im Wahlkampf das brutale Vorgehen der Sittenpolizei verurteilte. „Seit 40 Jahren versuchen wir, die Frage des Hijab und die Art und Weise zu lösen, wie die Behörden damit umgehen sollen“, sagte die 69-Jährige. „Aber mal ehrlich: Haben wir das Problem gelöst oder es verschlimmert?“
Abschaffen kann Peseschkian die Kleiderordnung nicht. Schließlich hat er dem obersten geistlichen und politischen Führer Ali Khamenei seine Treue geschworen. Sonst hätte man ihn wohl nicht zur Kandidatur zugelassen.
Peseschkian will Beziehungen zum Westen verbessern
2013 wollte er Präsident werden, zog seine Kandidatur jedoch zurück. Bei seinem nächsten Versuch 2021 lehnte ihn der mächtige Wächterrat ab. Und das trotz vorheriger, klarer Worte an die USA: „Unser Land wird sich nicht ducken. Wir stehen hoch“, sagte Peseschkian damals. „Amerika und seine Komplizen sollten wissen, dass unser Iran vor ihren Drohungen nicht so leicht kapitulieren wird.“
Mittlerweile gibt er sich nachsichtiger, will die Beziehungen zum Westen verbessern und verhandelt sogar mit den USA über eine Lockerung der Sanktionen gegen sein Land, einen neuen Anlauf zur Wirtschaft und eine Eindämmung der Korruption innerhalb der staatlichen Eliten.
„Wir müssen diesen Damm der Sanktionen durchbrechen, wir müssen gegen diejenigen vorgehen, die von den Sanktionen profitieren, diejenigen, die Tausende von Milliarden einstecken, und niemand weiß es“, sagte der neue Präsident.
Umsetzung hängt von Khamenei ab
Der Arzt wäre auch bereit, das Atomabkommen wiederzubeleben. Was er umsetzen kann, hängt allerdings vor allem von Chamenei ab, dem obersten geistlichen Führer. Der mittlerweile 85-Jährige ist der mächtigste Mann des Landes.
Wichtiger als die Wahl Peseschks zum Präsidenten ist die Frage, wer nach Khameneis Tod die Nachfolge antreten wird. Peseschkian wird es definitiv nicht. Ihm fehlt eine entscheidende Qualifikation: Er ist kein Mullah.
Christian Buttkereit, ARD Istanbul, tagesschau, 06.07.2024 09:26 Uhr