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Memphis Depay wartet auf diesen einen Moment

Statistisch betrachtet bewegt sich Memphis Depay mit seinen 46 Länderspieltoren längst in den Sphären der Giganten des niederländischen Fußballs. Wahrscheinlich ist es nur eine Frage der Zeit, bis er die vier Treffer erzielt, die ihm fehlen, um zu Robin van Persie, dem erfolgreichsten Torjäger der Elftal überhaupt, aufzuschießen. Mit seinem zwischenzeitlichen 2:2 gegen Österreich hat der 30 Jahre alte Angreifer überdies Marco van Basten im Ranking der besten holländischen Turniertorschützen überholt, mittlerweile rangiert er auch in dieser Statistik unter den Top Ten, die Denis Bergkamp mit zehn Treffern anführt.

Aber van Bastens Tore sind untrennbar mit dem EM-Sieg von 1988 verbunden, van Persie gehörte legendären Turniermannschaften an, stand 2010 im WM-Finale, und Bergkamps Aktionen sind unvergessen, weil sie mitunter kleine Kunstwerke waren. Depay hingegen fällt vor allen Dingen wegen seines Frotteestirnbands auf, das er während dieser EM zu tragen pflegt. Und weil er die hohen Erwartungen an seine Leistungen seit vielen Jahren nie so ganz erfüllen kann. „Ich denke nicht, dass es um Zahlen gehen sollte“, sagt er, als er vor dem Viertelfinalduell gegen die Türkei an diesem Samstag (21.00 Uhr im F.A.Z.-Liveticker zur Fußball-EM, bei RTL und MagentaTV) mit diesen Statistiken konfrontiert wird: „Es geht um Momente.“ Aber ein richtig großer Moment fehlt auch noch in seiner Karriere.

Weder begeisternd, noch besonders erfolgreich

Depay, dessen auslaufender Vertrag bei Atlético Madrid nicht verlängert wird, ist neben Virgil van Dijk das Gesicht des vergangenen holländischen Nationalmannschaftsjahrzehnts. Eine prägende Figur dieser Generation, die weder wirklich erfolgreich war, noch besonders begeisternd Fußball spielte. Er stand bei Manchester United, dem FC Barcelona und Atlético unter Vertrag, weil ihm zugetraut wurde, auch auf dem allerhöchsten Niveau prägenden Einfluss zu nehmen.

Trainer Ronald Koeman scheint immer noch so zu denken, während unter den meinungsfreudigen TV-Experten in Holland etliche fordern, dass Wout Weghorst den Startelfposten als vorderster Stürmer bekommen sollte. „Ich kann gut mit Kritik umgehen, ich bin daran gewöhnt“, sagt Depay zu solchen Debatten und macht einfach weiter sein Ding. Auch in seinem Leben außerhalb des Fußballs, das immer wieder Aufmerksamkeit erregt. Als Rapper veröffentlicht er regelmäßig Songs samt dazugehöriger Videos, in denen er in Privatjets posiert, mit Luxusuhren hantiert und extravagante Designerklamotten trägt.

Fragwürdige Bekanntschaften

Zudem ist er mit dem ehemaligen Mitspieler Quincy Promes befreundet, der einem Cousin mit einem Messer ins Knie gestochen haben soll und der von einem Amsterdamer Gericht in erster Instanz für schuldig befunden wurde, am Schmuggel von mehr als 1300 Kilogramm Kokain beteiligt gewesen zu sein. „Der Quincy Promes, über den Sie lesen, ist nicht der Quincy Promes, den ich kenne. Ich kenne nicht den Quincy Promes, der strafrechtlich verfolgt wird“, sagt Depay im März auf Nachfrage des TV-Senders „NOS“.

Aber all diese Geschichten schwingen mit bei der Skepsis, die Depay begleitet. Vielleicht würde es diesem Angreifer tatsächlich helfen, endlich für einen Moment zu sorgen, der ähnlich nachhallt wie die Treffer seiner großen Vorgänger im Sturmzentrum der Elftal.