Niederlande drehen das Spiel gegen starke Türken
Die niederländischen Fans hatten das ganze Spiel über ihr Bestes gegeben. Gegen die stimmliche Dominanz der türkischen Zuschauer hatten sie allerdings nur schwer anzukommen. Das änderte sich jedoch in der Schlussphase des letzten Viertelfinals der Fußball-Europameisterschaft. Die Niederländer hatten das Spiel auf dem Rasen gedreht und lagen nun in Führung. Und siegten am Ende 2:1 (0:1).
Schon vor dem Anpfiff stand fest: Egal, wer gewinnt, es wird die erste EM-Halbfinalteilnahme seit Langem. Die Niederlande hatten zuletzt 2004 die Runde der besten Vier erreicht, die Türkei 2008. Nun trifft Holland am Mittwochabend in Dortmund auf England.
„Es war ein echter Kampf. Die Türken haben viel Herz und große Qualität. Wir mussten wirklich leiden“, sagte Stefan de Vrij, der den Ausgleich erzielte. „Insgesamt war es ein großartiges Spiel.“ Trainer Ronald Koeman sagte: „Das ist etwas Besonderes für die ganze Nation. Wir sind eine kleine Nation und stolz, im Halbfinale zu stehen.“
Vincenzo Montella, Trainer der Türkei, sagte nach dem Ausscheiden: „Wir haben eine tolle Europameisterschaft gespielt. Wir sind ein sehr junges Team. Wir können stolz auf unsere Mannschaft sein.“
Merih Demiral fehlte im Viertelfinale aufgrund seiner Sperre wegen des Wolfsgrußes, der in den Tagen vor der Partie das beherrschende Thema gewesen war. Für ihn sprang Samet Akaydin ein. Mit Orkun Kökcü und Ismail Yüksek waren zudem zwei weitere Spieler gesperrt. Von Borussia Dortmund waren Kapitän Hakan Calhanoglu und Salih Özcan nach seiner Gelbsperre dabei.
Ganz anders war die Ausgangslage bei den Niederlanden: Koeman schickte die gleiche Startelf aufs Feld wie beim 3:0-Sieg im Achtelfinale gegen Rumänien.
Der türkische Präsident Erdogan sieht sich das Spiel im Stadion an
Wie erwartet waren die türkischen Fans – viele von ihnen zeigten während der Nationalhymne den Wolfsgruß – im Berliner Olympiastadion deutlich in der Überzahl. Unter den Zuschauern war auch der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan, der einen geplanten Besuch in Aserbaidschan abgesagt hatte und erst am Samstag nach Berlin reiste.
Auf dem Platz übernahmen die Niederländer bei mittlerweile deutlich niedrigeren Temperaturen als tagsüber sofort die Initiative. Der Minutenzeiger hatte seit dem Anpfiff noch keine komplette Drehung vollzogen, als Memphis Depay den Ball erstmals in Richtung des gegnerischen Tores brachte. Doch sein Versuch verfehlte das Ziel um Längen.
Es folgten noch einige Szenen die zumindest vielversprechend wirkten, aber nie richtig gefährlich wurden. Denzel Dumfries kam mit einer Mischung aus Schuss und Flanke von der rechten Seite dem Tor ganz nah.
Mit zunehmender Spieldauer ließ die Defensive der Türken nach und auch die Aktivitäten des Gegners wurden deutlich zurückhaltender. Nach etwa einer halben Stunde schoss Calhanoglu einen Freistoß in Richtung Fünfmeterraum, doch Abdülkerim Bardakci konnte den Ball nicht aufs Tor lenken.
Die türkischen Fans bejubelten jede gelungene Aktion ihrer Mannschaft lautstark – und in der 35. Minute steigerte sich die Lautstärke massiv: Nach einer Ecke gelangte der Ball zu Arda Güler, der ihn von knapp außerhalb des Strafraums an den langen Pfosten flankte. Drei weiß gekleidete Spieler tauchten in Ballnähe auf und Akaydin schoss zur Führung ins Netz.
Mit Wout Weghorst wird das niederländische Spiel gefährlicher
In der Pause reagierte der niederländische Trainer Ronald Koeman auf die Harmlosigkeit seiner Mannschaft und brachte Mittelstürmer Wout Weghorst für Steven Bergwijn. Dadurch entstand sofort mehr Druck. In der 51. Minute köpfte Weghorst den Ball zu Depay, der den Ball vor dem Tor nur knapp verfehlte. Weghorst stand allerdings ohnehin im Abseits.
Die Türkei wiederum hatte große Chancen, doch ein Freistoß von Güler prallte gegen den Außenpfosten, Torhüter Bart Verbruggen war zur Stelle, um einen Schuss von Kenan Yildiz zu parieren und Weghorst verhinderte den Nachschuss von Kaan Ayhan aus kurzer Distanz.
Gegen die sichere und tiefstehende Abwehr hatten die Niederländer wenig zu bieten. Der Ball ging meist mehr oder weniger weit vor dem Strafraum hin und her, begleitet von Pfiffen der türkischen Zuschauer. Bis Depay ihn in die Mitte brachte und de Vrij unbedrängt einköpfte – 1:1, 70. Minute.
Sechs Minuten später änderte sich das Spiel komplett: Nach einer schnellen Kombination brachte Dumfries den Ball in die Mitte. Dort unterlief Mert Müldür, stark unter Druck von Cody Gakpo, ein Eigentor.
Nun musste die Türkei auf vollen Angriff umschalten. Und sie erspielte sich zahlreiche hochkarätige Chancen. Unter anderem blockte Micky van de Ven einen Schuss von Zeki Celik kurz vor der Linie. Der Ausgleich gelang ihnen in der Nachspielzeit nicht mehr, der eingewechselte Bertug Yildirim sah wegen Meckerns die Rote Karte.