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Rocklegenden AC/DC in München: Mehr Leidenschaft als Stimme?

Kompakte 1,65 m, Schiebermütze, schwarzes T-Shirt und starker nordenglischer Akzent: Auf stolze 76 Jahre würde man den Berufssonderling Brian Johnson niemals schätzen – wenn er es nicht selbst erwähnen würde: „Ich muss mir selbst beweisen, dass ich noch zwei Stunden auf der Bühne schaffe. Und obwohl ich alles tue, um in Form zu bleiben, würde ich das nicht ein ganzes Jahr am Stück durchhalten. Denn: Ich werde alt! Da kann ich nichts machen.“

„Ich bin keine umwerfende Sängerin“

Die „Power Up Tour“ könnte die letzte der australisch-britischen Rocklegende sein. Gitarrist Angus Young ist erst 69, sieht mit seinen weißgrauen Haaren und dem ausgemergelten Körper aber noch älter aus als Johnson. Und: Er ist das einzige Originalmitglied. Bassist Cliff Williams und Schlagzeuger Phil Rudd sind im Ruhestand, Rhythmusgitarrist Malcolm Young starb 2017. Der Ersatz wird auf der Bühne nicht einmal vorgestellt. Es dreht sich alles um Angus‘ Riffs und Brians kratzigen Gesang. Ein Geschenk Gottes, sagt der Sänger: „Wenn ich auf Konzerten von Freunden bin, hat der Sänger immer seine eigene Garderobe und übt stundenlang. Ich hingegen hänge einfach mit den Jungs rum. Und wenn sie sagen: ,Noch 15 Minuten bis zur Show‘, gehe ich kurz auf die Toilette und schreie. Das war‘s. Ich bin kein umwerfender Sänger – aber einer mit Leidenschaft. Mit mehr Leidenschaft als Stimme.“

Schlecht abgestimmtes System

Leidenschaftlich, ehrlich, bodenständig. AC/DC verstehen sich als Band für die ganz kleinen Leute. Doch dieses Image wird durch 50-Euro-T-Shirts, Tickets für knapp 200 Euro und einen inakzeptablen Sound empfindlich beschädigt. Die Lautsprecher sind nur auf den Innenraum gerichtet, und auf der Tribüne hört man diffusen Lärm ohne Gesang. Eine Art AC/DC-Karaoke, bei dem auch auffällt, wie ähnlich sich die Songs sind.

„Wer sich darüber beschwert, will immer den neusten Sound und wer weiß wie hip sein“, sagt Johnson, „wie diese Musiknomaden, die von einer Band zur nächsten ziehen – und keine Loyalität haben. Die können also zur Hölle fahren. Mit denen will ich nicht im selben Auto sitzen – vor allem nicht, wenn sie das Radio kontrollieren.“

Vergoldeter Abschied

Letztlich ist es Blues – laut, hart und dreckig gespielt; 2 Stunden und 15 Minuten lang, mit Texten über Frauen, Züge, Gewitter und höllische Symbolik. Eine Mischung, die mittlerweile 17 Alben füllt und AC/DC zur Hardrock-Legende macht. Diesem Ruf versuche man auch auf der Bühne gerecht zu werden, sagt Johnson: „Uns fällt immer etwas ein – auch dieses Mal. Natürlich frage ich mich manchmal: Was soll das Ganze? Können wir nicht einfach Musik machen? Aber die Leute lieben Dinge wie die Glocke und die Kanonen.“

Wäre der Sound besser, könnte es das Rock-Event des Jahres werden. So ist es ein Event, das nach goldenem Abschied riecht, das sich aber kein Fan entgehen lassen wird. Vielleicht wird am Wochenende im Münchner Olympiastadion alles besser. Und: Zur Not kann man sich auch einfach durchsingen oder -trinken.