Tour de Suisse: Küng und sein neues Superbike

Küngs neues Superbike vollbringt kein Wunder

Wenn die Beine schwach sind, nützt das beste Rad nichts: Küngs verpatzter Einstand auf dem neuen Zeitfahrrad.
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Der Husten kommt aus der Tiefe. Es ist nicht die Art, wie Stefan Küng sie nach Höchstanstrengungen gewohnt ist, wenn der Körper versucht, sich von dieser Extremsituation zu erholen. Es ist ein letztes Andenken an die Bronchitis, die den Thurgauer vor einer Woche drei Tage lang ans Bett fesselte. «Nach einer Erklärung für diese Leistung muss ich nicht lange suchen», sagt Küng. Zum Auftakt der Tour de Suisse, dem Prolog in Vaduz, reicht das immerhin für den 8. Platz.

Auf Etappensieger Yves Lampaert (BEL) verlor er bei gut fünf Minuten Fahrzeit 10,5 Sekunden. Bitterer endete der Tag für den anderen Thurgauer Radrennfahrer Stefan Bissegger: Als Zweiter verpasste er sein erstes Leadertrikot an der Tour de Suisse um lediglich 3,2 Sekunden.

Für Küng ist es unter den gegebenen Umständen ein solides Ergebnis. Aber es ist nicht das, was er sich erhofft hatte. Wenn er allein gegen die Uhr rennt, gibt es nur ein Ziel: den Sieg. An diesem Tag gilt das noch mehr als sonst.

Es ist die Rennpremiere von Küngs neuem Zeitfahrrad von Wilier. Der italienische Fahrradhersteller rüstet das Team Groupama-FDJ aus und hat das Zeitfahrrad speziell für den Schweizer entwickelt. Die Italiener haben das Fahrrad Supersonica getauft, was so viel bedeutet wie Überschallgeschwindigkeit.

Dass es das überhaupt gibt, ist bemerkenswert. Normalerweise dauert es ein bis eineinhalb Jahre, ein neues Rad zu entwickeln. Im Fall von Supersonica dauerte es gerade einmal neun Monate. Mehr Zeit war schlicht nicht: Als Küng vor einem Jahr seinen Vertrag verlängerte, hatte er die schriftliche Zusage, dass für die Olympischen Spiele in Paris ein neues Zeitfahrrad für ihn entwickelt würde. Mit dem vorherigen war er auf technisch weniger anspruchsvollen Strecken, wo sich alles um die Aerodynamik drehte, zuletzt nicht mehr konkurrenzfähig.

Als Beispiel nennt er die WM 2021 in Flandern. „Ich war an dem Tag wirklich extrem vorbereitet, dachte, ich werde Weltmeister. Dann bin ich Top-Leistungszahlen gefahren – und habe trotzdem eine harte Abfuhr bekommen“, sagt er. Als Fünfter verlor er 1:07 Minuten auf Sieger Filippo Ganna. Das Rad als mögliche Ursache für die bittere Niederlage erwähnte er damals nicht. Erst jetzt, im Nachhinein, nachdem sein Team den Radsponsor von Lapierre zu Wilier gewechselt hat.

Aerodynamischer als alle anderen

Rund 300.000 Euro hat das „Cronokung“ der Italiener gekostet. Claudio Salomoni, Entwicklungschef bei Wilier, bezeichnet es als Prestigeprojekt. „Die Kosten sind nicht wieder hereinzuholen. Es geht vielmehr darum, dass wir mit unserer 120-jährigen Geschichte noch immer ganz vorne mit dabei sind, was die Fahrradtechnologie angeht“, sagt er, der zur Premiere ins Fürstentum Liechtenstein gereist ist.

Wilier wird das Rad am Sonntagmorgen der Öffentlichkeit präsentieren. Küngs Version des Supersonica ist auf seiner Website für 27.400 Euro zu haben. Der Verkauf hat allerdings vorerst nur symbolischen Charakter: Bisher wurden vier Supersonicas produziert, alle für Küng. Die Produktion für die anderen Profi-Radsportler und Kunden, die tatsächlich bereit sind, so viel Geld zu zahlen, wird erst im nächsten Jahr beginnen.

Im Idealfall, nachdem Küng damit große Erfolge erzielt hatte, bei Olympia und der Heim-WM. Dass solches künftig möglich sein sollte, lassen zumindest die Tests seines neuen Bikes vermuten. Im Windkanal war es um 16 Prozent aerodynamischer als das alte Wilier-Modell. Das war Küngs Team nicht genug. Also besorgten sie sich Modelle der besten Zeitfahrmaschinen der Konkurrenz und testeten Küng auch auf diesen Bikes im Windkanal. Das Ergebnis war immer dasselbe: Supersonica war aerodynamischer als alle anderen.

Küng erfuhr davon erst im Nachhinein. Im Windkanal wurde er von seinem Double vertreten: Eine der vertraglichen Vereinbarungen mit Groupama-FDJ sah vor, dass das Team bei den zeitintensiven Tests im Windkanal eine Küng-Puppe anfertigen ließ, die den Fahrer vertrat.

Natürlich hätte man bei den Wilier-Vertretern in Vaduz gerne einen ersten Sieg gefeiert. Doch die Stimmung ist angesichts von Küngs gesundheitlichen Problemen im Vorfeld gelassen. Und auch er findet etwas Positives am neuen Bike: „Auf einer Skala von 1 bis 10 war es heute vielleicht eine 2. Und ich bin trotzdem in die Top 10 gefahren. Am Material lag es also definitiv nicht. Aber für das schnellste Bike der Welt braucht man gute Beine.“

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