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Warum die Europawahlen so wichtig sind, insbesondere für Frauen

Wahlappell
Warum die Europawahlen so wichtig sind, insbesondere für Frauen

Frau mit Lautsprecher

Erst seit dem 19. Jahrhundert dürfen Frauen in Europa nach und nach an Wahlen teilnehmen.

© jacoblund / Getty Images

Europa hat die Wahl – wie es in Zukunft weitergehen soll. Das Kreuz auf dem Wahlzettel kann auch ein Kreuz für mehr Frauenrechte sein. Warum das sinnvoll ist, erklären vier Frauen, die sich täglich damit auseinandersetzen, wohin die Welt für Frauen geht.

Model Sara Nuru: „Auch in Europa ist nicht alles Gold, was glänzt“

Sara Nuru

Sara Nuru ist Unternehmerin, Model, Autorin und Mutter. Schon lange setzt sie sich mit ihrem Verein „NuruWomen“ für die Selbstbestimmung der Frauen in Äthiopien ein, nun möchte sie ihr Engagement für die Frauengesundheit noch weiter ausbauen.

© Robert Rieger

„Wir haben noch einen langen Weg vor uns, bis wir die Gleichstellung der Geschlechter erreichen. Europa ist nicht alles Gold, was glänzt“, sagt Model und Unternehmerin Sara Nuru im Interview mit SternDamit meint sie nicht nur die Situation der Frauen innerhalb der EU, die von Land zu Land enorm unterschiedlich sein kann, sondern vor allem die Situation der Frauen weltweit. Dabei lohnt es sich, von Zeit zu Zeit über den eigenen Tellerrand – und über die Grenzen der EU – hinauszublicken, ist sie sich sicher. „Der Austausch mit Frauen aus anderen Ländern und Kontinenten kann uns nur bereichern, denn auch Frauen in Äthiopien, auf den Philippinen und in Peru haben gute Ideen.“

Ein großes Problem sei die Gesundheitsversorgung – hier sei die Politik gefordert, weltweit – auch in Europa – unabhängig von finanziellen Mitteln und Heimatland einen Zugang zu fairer Gesundheitsversorgung zu gewährleisten. In anderen Bereichen seien wir Frauen selbst aber gefordert, uns aktiv für bessere Bedingungen einzusetzen. Wie wir das tun, sei zweitrangig: „Hauptsache, wir sind uns der Herausforderungen für Frauen bewusst und handeln.“ Wir könnten zum Beispiel Initiativen gründen, einander zuhören, selbst als Frauen zu Vorbildern werden, indem wir MINT-Berufe ergreifen, Führungsrollen übernehmen – oder wählen gehen.

Hebamme Kerstin Lüking: „Europa hat eine enorme Menge an Hausaufgaben vor sich“

Kerstin Lüking ist Hebamme, Journalistin und Podcasterin. Sie engagiert sich seit Jahren für das Thema Frauengesundheit, insbesondere für Mütter nach der Geburt. Dies steht auch im Fokus ihres neuen Buches „Königin im Wochenbett“.

© Antonia Jenner

„Für mich, die ich in einem medizinischen Beruf arbeite, ist das Thema Frauengesundheit sehr wichtig“, sagt Hebamme Kerstin Lüking zu Stern. Insbesondere für die rund 8,4 Millionen Mütter interessiert sich in unserer Gesellschaft kaum jemand. Aus diesem Grund engagiert sich Lüking besonders für die Nachsorge von Müttern im Wochenbett – und für die Sensibilisierung für diese besondere Lebensphase. Doch noch immer haben Frauen in unserer Gesellschaft mit zusätzlichem Stress zu kämpfen. Die Folge sind häufig Burnout und psychische Probleme. Lüking sagt: „Das ist nicht verwunderlich, denn Frauen müssen viele Bälle in der Luft halten, um das System, in dem wir leben, am Laufen zu halten.“

Doch das ist nicht das einzige Problem für Frauen in Europa: Die Gleichstellung in politischen, wirtschaftlichen, sozialen, rechtlichen und kulturellen Bereichen ist verbesserungswürdig. Es geht etwa um das Recht auf gleiche Bezahlung, Bildungs- und Karrierechancen und natürlich um das Recht auf körperliche Unversehrtheit und das Recht auf Schutz vor Gewalt. „Europa hat noch viele Hausaufgaben zu machen“, so Lüking abschließend. Deshalb sei es wichtig, „dass wir wählen gehen und nicht Parteien eine Plattform geben, die unser Geschlecht am liebsten wieder im Dirndl hinter dem Ofen stehen sehen würden.“

Nationalspieler Inonge Kaloustian: „Repräsentation allein reicht nicht“

Inonge Kaloustian ist Goodwill-Botschafterin der Social Impact-Kampagne „#LetsTalkPERIOD“ des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ). Die sambische Fußballnationalspielerin und Expertin für öffentliche Gesundheit wurde in den USA geboren und lebt dort.

© BMZ

Inonge Kaloustian betrachtet die EU-Wahlen aus einer externen Perspektive und weiß um die Bedeutung Auch die Europäische Union unterstützt die Rechte der Frauen international. „Es erfüllt mich mit Stolz, dass immer mehr Frauen auf der ganzen Welt politisch mitwirken und an diesen äußerst wichtigen Diskussionen teilnehmen können“, sagt Kaloustian in einem Interview mit der SternDer wirkliche Einsatz für die Rechte der Frau beginnt für Politiker und Privatpersonen erst lange nach Schließung der Wahllokale.

„Ich habe die Erfahrung gemacht, dass allein der Mut, ein ‚unangenehmes‘ Gespräch zu beginnen, den Diskurs zu bestimmten Themen drastisch verbessern kann“, sagt die Fußballerin. Die Chance sei groß, dass andere ähnlich denken wie sie und vielleicht sogar schon überlegt haben, wie sie das Gespräch beginnen könnten. Aus ihrem Engagement für die Enttabuisierung der Periode hat sie außerdem gelernt: „Generell kann jede von uns ihren Teil dazu beitragen, anderen Frauen in ihrem Alltag Mut zu machen.“

Journalistin Katie Gallus: „Wir müssen am Entscheidungstisch sitzen“

Katie Gallus ist Moderatorin, Auslandskorrespondentin, Autorin und Geografin. Sie setzt sich seit jeher für Schwächere ein, recherchierte unter anderem in Kirgisistan, Zentralkamerun und dem Irak und ist Botschafterin der Bildungsinitiative „German Dream“.

© Simon Pauly

„Wir müssen am Entscheidungstisch sitzen“, appelliert die Journalistin Katie Gallus an die SternMitbestimmung ohne Entscheidungsgewalt bringt nichts anderes als ein schönes Werbefoto auf Linkedin, dass „auch Frauen dabei waren“. Und dann gilt es, sich gegenseitig zu unterstützen – über die Grenzen der eigenen Peergroup hinaus: „Ich beobachte immer wieder, dass es immer die gleichen Frauen aus den gleichen sozialen Bubbles sind, die Frauenthemen diskutieren. Hauptsache, der Promi-Faktor stimmt.“ Das sei nicht nur fürs Netzwerken langweilig, sondern auch für den Austausch.

Auch die Politik müsse sich stärker für Frauen einsetzen. „Frauenthemen fallen leider immer wieder Budgetkürzungen zum Opfer“, sagt Gallus. Das führe zu einer großen Kluft zwischen den Geschlechtern, vor allem im Gesundheitsbereich. Laut Gallus machen Frauen in Deutschland bei vielen Gesundheitsthemen ähnliche Erfahrungen wie Frauen an den „Randzonen der Welt“. Ein Beispiel: Genitalverstümmelung. Diese findet in Deutschland noch immer statt, wenn auch im Verborgenen. „Schülerinnen werden in ihren Heimatländern teilweise in den Sommerferien Opfer von Genitalverstümmelung. Das ist Lebensrealität – nicht nur etwa in Sierra Leone oder Somalia, sondern auch in Berlin-Neukölln.“ Sie appelliert daher an die Frauen hierzulande, sich zu vernetzen, aktiv nach Hilfe zu fragen, „einfach nicht mehr so ​​zickig zueinander zu sein und wirklich füreinander einzustehen.“