Welche Faktoren erklären einen erfolgreichen Elfmeter
Die Wahl der richtigen Ecke ist nur ein Faktor für einen erfolgreichen Elfmeter. Wissenschaftler haben auch individuelle Eigenschaften der Spieler und übergreifende Faktoren wie Nationalität oder Zuschauerzahlen in den Stadien untersucht. Das sind die Ergebnisse:
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Alter, Position, bevorzugter Fuß – viele individuelle Faktoren können den Erfolg eines Elfmeters beeinflussen. Die Studienergebnisse sind jedoch nicht eindeutig.
Wichtiger sind psychologische Variablen. Ein guter Elfmeterschütze muss mit dem hohen Druck in dieser Situation umgehen können. Studien zeigen, dass die Erfolgsquote eines Elfmeters bei besonders hohem Druck im Schnitt um 6 Prozent sinkt. Unabhängig von der Qualität des Schützen.
Auch die Bedeutung des Faktors Qualität ist umstritten. Manche Studien sehen einen positiven Einfluss der Spielerqualität auf die Wahrscheinlichkeit, ein Tor zu erzielen. Andere Studien legen nahe, dass Starspieler mit einer höheren Belastung auf ihren Schultern schlechtere Leistungen erbringen können. Beispiele sind Roberto Baggio im WM-Finale 1994 oder Bastian Schweinsteiger im Champions-League-Finale 2012. Beide scheiterten im entscheidenden Moment.
Ein weiterer Faktor, den ein Spieler kaum beeinflussen kann, ist sein Team. Spieler aus Teams, die zuvor ein Elfmeterschießen verloren haben, weisen eine um 10 bis 20 Prozentpunkte geringere Trefferquote auf.
Eine Strafe beginnt lange vor dem Punkt. Genauer gesagt, wenn der vorherige Schütze den Ball wirft.
Der Weg vom Mittelkreis zum Elfmeterpunkt ist selbst für die besten Spieler nervenaufreibend. Bastian Schweinsteiger sagte nach dem Champions-League-Halbfinale 2012, er habe auf dem Weg zum Elfmeterpunkt kurz „die Eier verloren“, sie aber rechtzeitig zum Anlauf wiedergefunden. Er traf. Schützen sollten sich entweder beeilen oder sich Zeit lassen. Studien zeigen, dass kurze (<26 seconds) and long (>37 Sekunden) Übergangszeiten sind am besten, während ein Mittelweg weniger günstig ist.
Variabilität ist wichtig: Ein guter Schütze sollte unberechenbar sein und seine Platzierung regelmäßig ändern. Das klingt banal, wird aber nicht immer umgesetzt.
Ein schwer kontrollierbarer Faktor ist der Schiedsrichter: Greift er in die Positionierung des Balles ein, kann das die Erfolgschancen mindern. Auch die Wartezeit auf das Signal des Schiedsrichters spielt eine Rolle. Vorteilhaft ist, wenn der Schiedsrichter den Ball schnell freigibt (weniger als 0,4 Sekunden).
Der Anlauf sollte nicht zu kurz sein. Studien zeigen, dass zu viel Blickkontakt mit dem Torwart auch schlecht für den Schützen ist. Die Quote gehaltener Elfmeter liegt dann um 11 Prozentpunkte höher.
Auch nach einem eigenen Elfmeter kann ein Schütze seiner Mannschaft noch helfen: Ausgiebiges Feiern nach einem verwandelten Elfmeter kann sich positiv auf seine Mitspieler auswirken. Sie lassen sich von den Emotionen anstecken und spielen anschließend mit größerem Selbstvertrauen und positiverer Einstellung.
Ein gut platzierter Elfmeter in die obere Ecke ist für Torhüter praktisch unhaltbar. Allerdings kann der Torwart die Erfolgswahrscheinlichkeit eines Elfmeters beeinflussen. Forschungsempfehlungen lauten: Er sollte sich frühzeitig für eine Aktion entscheiden. Nach links springen, nach rechts springen oder in der Mitte bleiben.
Im Gegensatz zu den Schützen hat der Torwart wenig zu verlieren. Dass er den Elfmeter hält, erwartet keiner von ihm. Aber im besten Fall kann er zum Helden werden.
Legendär ist Jerzy Dudeks Leistung im Elfmeterschießen im Champions-League-Finale 2005. Der Liverpool-Torhüter sprang auf die Linie, wedelte mit den Armen und wackelte mit den Beinen. So hielt er die Elfmeter der Mailänder Stars Andrea Pirlo und Andrei Shevchenko. Liverpool gewann. Studien zeigen, dass solche Aktionen tatsächlich zu schlecht platzierten Elfmetern führen.
Für manche ist der entscheidende Moment beim Elfmeterschießen der Münzwurf davor. Es heißt, dass die Mannschaft, die zuerst schießt, im Vorteil ist. Die Idee dahinter ist, dass die Mannschaft, die zuerst schießt und trifft, den Druck auf den Gegner erhöht.
Einige Studien haben gezeigt, dass in 55 bis 60 Prozent der Fälle die Mannschaft gewinnt, die das Elfmeterschießen beginnt. Die Ergebnisse sind jedoch nicht eindeutig. Andere Studien konnten keinen Vorteil für den ersten Schuss feststellen. Wer den Münzwurf verliert, sollte sich dadurch nicht zu sehr unter Druck setzen lassen.
Ein Elfmeterschießen besteht aus mindestens zwei Sätzen mit je fünf Schüssen. Studien zeigen, dass die Erfolgsquote zu Beginn am höchsten ist und dann abnimmt. Mögliche Erklärungen:
- Trainer lassen ihre besten Spieler zuerst antreten.
- Mit jedem weiteren Schuss steigt der Druck, denn ein vergebener Elfmeter lässt sich schwerer kompensieren.
Feindselige Fans im Blick, Pfiffe in den Ohren: Einen Elfmeter im gegnerischen Stadion zu verwandeln, gehört zu den schwierigsten Aufgaben eines Fußballspielers. Der Druck ist in solchen Situationen besonders groß.
Während der Corona-Pandemie und den Geisterspielen konnten Wissenschaftler den Zuschauerfaktor bei Elfmeterschießen quantifizieren. Tatsächlich haben Fans in Stadien einen positiven Effekt auf die Erfolgsquote der Heimmannschaft und einen negativen auf die der Auswärtsmannschaft. Bei Geisterspielen sank die Wahrscheinlichkeit, dass die Auswärtsmannschaft einen Elfmeter verschießt, um 20 Prozent.
Abschließend bleibt für manche die wichtigste Frage: Welche Rolle spielt die Nationalität? Und damit sind wir bei Euch, liebe Engländer. Die Three Lions haben sieben von neun Elfmeterschießen bei WM- und EM-Endspielen verloren, zuletzt das EM-Finale 2021 gegen Italien.
Allerdings stellten die Wissenschaftler keine nennenswerten Unterschiede zwischen den Erfolgsquoten von Elfmeterschützen aus verschiedenen Nationen fest. Sie verglichen 4.700 Elfmeter von 1.100 Spielern in den großen europäischen Ligen. Englische Spieler verwandelten genauso oft einen Elfmeter wie Spieler aus anderen Ländern. Das können sie also im Prinzip. Warum verlieren die Engländer bei großen Turnieren so oft im Elfmeterschießen? Es bleibt ein Rätsel.
Eine Übersicht über die für diesen Artikel ausgewerteten Studien finden Sie hier.
Dieser Artikel entstand im Rahmen eines Modulprojekts zum Thema «Geschichten visuell erzählen» im Studiengang Data Design & Art an der Hochschule Luzern. Betreut wurde Imah Rahim von Jonas Oesch, Bildjournalist bei der NZZ, und der Designerin Marina Bräm. Mitarbeit: Dario Veréb.