Weniger Bürokratie erforderlich
Drücken Sie
Karben (jsl). Mehr als ein halbes Jahr ist seit den Protesten im Januar vergangen. Doch das Problem liegt für die Bauern noch immer an derselben Stelle. Um Meinungen zu hören und Antworten zu bekommen, trafen sich Betroffene aus der Wetterau am Samstag in Karben. Sie trafen sich mit politischen Vertretern im Saal des Gemeinschaftsobstgartens zum Gespräch.
Eingeladen hatte die Karbener CDU-Landtagsfraktion. Auch ein prominenter Gast aus Wiesbaden fand den Weg in die Büdesheimer Straße: Hessens Landwirtschaftsminister Ingmar Jung (CDU) stellte sich den Fragen der Landwirte und zog so auch Bilanz seiner fünfmonatigen Amtszeit. Seinen Ausführungen folgten Karbens Bürgermeister Guido Rahn, sein Amtskollege Michael Hahn aus Niddatal, der Landtagsabgeordnete Tobias Utter sowie Kreislandwirt Michael Schneller. Durch die Veranstaltung führte Mario Beck, Fraktionsvorsitzender der Karbener CDU.
Die Idee zu einem Meinungsaustausch in dieser Form sei Anfang des Jahres entstanden, als vielerorts die Proteste ihren Höhepunkt erreichten, sagte Beck. Gemeinsam sei es darum gegangen, Lösungen zu finden und vor allem denen eine Stimme zu geben, „die für unser tägliches Brot sorgen“. Dass die beiden anwesenden Bürgermeister Wurzeln in der Landwirtschaft haben und so ihre Erfahrungen teilen konnten, gab der Diskussion einen fundierten Ton. Während der Minister noch auf dem Weg zum Treffpunkt war, ergriff Guido Rahn das Wort. Er hielt einen dicken Wälzer mit gesetzlichen Regelungen und Maßnahmen hoch, Merkblätter zur Agrarwirtschaft, knapp 90 Seiten lang. Für die meisten Anwesenden war das keine ungewohnte Lektüre, sondern ein Teil der Bürokratie, mit der sie sich herumschlagen müssen.
Pragmatische Lösungen
„Leitlinien sind wichtig“, sagte der Karbener Bürgermeister. „Aber lassen wir die Leute doch Landwirtschaft machen. Eine Überregulierung brauchen wir nicht.“ Rahn verwies auch auf die „ungesunde Preisentwicklung“ im Agrarbereich, Quadratmeterpreise von zwölf Euro etwa in Kloppenheim, die Tatsache, dass es kaum noch Viehhaltung gebe und die Zahl der Höfe zurückgehe. „Ein Land muss sich selbst ernähren können. Wir dürfen uns nicht mehr von anderen abhängig machen“, forderte Rahn.
Den Ruf nach Bürokratieabbau und neuen Richtlinien erneuerten die Landwirte am Samstag. „Sobald man ein Problem an die Verwaltungsebene heranträgt, schaut man nur noch auf die gesetzlichen Regelungen“, sagte ein Friedberger Landwirt. Das müsse sich künftig ändern. „Die Verwaltung muss an die Basis schauen. Dem helfen, dem geholfen werden kann.“ Minister Jung bekundete zunächst seine Unterstützung für diejenigen, die aus seiner Sicht für den Erhalt der Kulturlandschaft verantwortlich seien. Er versprach den Landwirten pragmatische Lösungen für die Zukunft. Die Politik habe sich von denen distanziert, die die Arbeit vor Ort machten, sagte er. „Wir sind auf diese Expertise angewiesen. Dadurch können wir sie steuern.“
Unter anderem wurden zwei Punkte besprochen: Die Unterstützungszahlungen für Biberschäden könnten in diesem Jahr unbürokratischer werden. Zudem könnte es in den „roten Gebieten“ in der Wetterau (Flächen mit hoher Düngemittelbelastung im Boden), die besonderen Anforderungen unterliegen, bald mehr Messstellen geben. „Hier müssen wir eine detailliertere Bewertung bekommen und dadurch die Einstufung gerechter machen“, so der Minister. Kreislandwirt Michael Schneller hatte zuvor darauf hingewiesen, dass es durch unterschiedliche Anforderungen von Kreis zu Kreis zu Wettbewerbsverzerrungen kommen könne. Große Euphorie schien das Gehörte bei den Gästen, die teilweise aus Gedern oder Reichelsheim angereist waren, nicht auszulösen. Obstbauer Florian Hess aus Ockstadt hatte für die Politiker dennoch Kirschen dabei, die er ihnen als Gastgeschenk überreichte.