24h Le Mans 2024: Außenseitersieg möglich
Liberté, égalité, fraternité. Frankreichs Motto wurde während der Französischen Revolution 1789 geprägt. Selten hat der Slogan passender auf den größten Langstreckenklassiker der Welt gepasst als in diesem Jahr. Das Hypercar-Reglement bietet privaten Teams und ihren Ambitionen, in Le Mans gegen die Werkstruppen anzutreten, eine ideale Plattform. Die Hersteller können ihren Kunden Autos zur Verfügung stellen, die auf dem neuesten Stand der Technik sind. Das Werksaufgebot von Porsche, das in Le Mans durch einen IMSA-Renner mit Starfahrer Mathieu Jaminet ergänzt wird, verfügt über die gleiche Technologie wie die Werksautos.
Mindestens sechs Hypercar-Rennfahrer wollen mehr, als den Großen zu ärgern. Angeführt werden die Rebellen vom Team Jota. Die Briten schicken in diesem Jahr zwei Porsche 963 im goldenen Hertz-Look nach Le Mans.
Der bekannteste Fahrer sitzt im Auto mit der Nummer 38: Jenson Button will sich 2024 darin versuchen. Der Formel 1-Champion startete bereits zweimal beim Klassiker, allerdings noch nie in einem konkurrenzfähigen Auto um den Gesamtsieg. Oliver Rasmussen und Phil Hanson flankieren den 44-Jährigen. Auch der zweite Jota-Porsche greift auf Erfahrungen aus der Königsklasse zurück: Will Stevens war einst Stammfahrer, und Callum Ilott durfte als Ferrari-Junior F1-Testfahrten absolvieren. Norman Nato rundet das Trio ab.
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Die Porsche-Armada
Der Franzose wurde 2020 in Le Mans Zweiter und fährt seit dieser Saison auch in der Formel E den Kunden-Porsche des Andretti-Teams. Beim ersten WEC-Rennen des Jahres sorgte der 12er Jota für Aufmerksamkeit: Das Trio wurde hinter dem Werks-Porsche #6 des Penske-Teams Zweiter. Nach knapp zehn Stunden Fahrt fehlten ihnen im Ziel nur rund 33 Sekunden auf den Sieger. Beim dritten Saisonrennen in Spa gelang Jota dank Will Stevens und Callum Ilott sogar der Sieg. Das macht Mut für das 24-Stunden-Rennen im Juni.
Ein weiterer Porsche-Kunde ist Proton. Das Team von Christian Ried schickt mindestens einen 963 an den Start. Das Auto mit der Nummer 99 hat sogar einen ehemaligen Le Mans-Sieger im Cockpit: Der Schweizer Neel Jani teilt sich den Porsche mit Harry Tincknell und Julien Andlauer. Wenn Proton genügend Sponsorengelder auftreiben kann, könnte noch ein weiterer Porsche 963 am Rennen teilnehmen. Man hat den ersten Platz auf der Reserveliste des ACO und könnte deshalb den zeitgleich gemeldeten LMP2 zugunsten der LMDh zurückziehen.
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Ferrari legt nach
Auch Ferraris privater 499P sorgte beim Wüstenrennen für Aufmerksamkeit. Das von AF Corse gemanagte Team belegte in Katar den vierten Platz. Neben den beiden roten Werksautos wird die italienische Truppe 2024 einen weiteren Ferrari in Le Mans einsetzen. Den gelben 499P pilotieren Yifei Ye, Robert Shwartzman und Robert Kubica. In Imola startete der Privatrenner von Platz zwei. In den ersten drei Rennen stimmte der Speed, bei Strategie und Konstanz ist aber noch Luft nach oben.
Robert Kubica, der Star des Trios, hat den Klassiker bereits mehrfach bestritten und ist neben Button ein weiterer bekannter Name, der in diesem Jahr einen leistungsstarken Privatwagen pilotieren wird. Die Verbindung zu Ferrari ist sogar noch enger als zu den anderen Kunden und deren Herstellern. Experten sprechen von einem getarnten Werksrenner. Der gelbe 83er Ferrari dürfte daher in Frankreich auf jeder Liste der Geheimfavoriten stehen.
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Dritter Caddy aus der IMSA
Ähnlich wie beim privaten Ferrari verhält es sich bei Cadillac: Insgesamt drei V-Series.R werden 2024 in Le Mans an den Start gehen. Neben den beiden Werksautos, die Ganassi betreut, darf ein dritter Caddy teilnehmen. Das Team Action Express Racing kommt 2023 dank des IMSA-Titels an die Sarthe: Der ACO garantiert dem Vorjahresmeister einen Startplatz. Für das Auto mit der Startnummer 311 haben sich bislang Jack Aitken und Luís Felipe „Pipo“ Derani eingeschrieben. Der Brasilianer gehörte auch in der IMSA zum Meistertrio. Aitken fährt seit letztem Jahr in der DTM und feierte unter anderem einen Rennsieg.
Obwohl der Cadillac in Le Mans offiziell zu den Privatwagen zählt, handelt es sich definitiv um ein Werksauto. Action Express erlitt 2023 einen frühen Schiffbruch. Aitken feuerte den V-Series.R in Runde 1 auf nasser Strecke am Ausgang der ersten Mulsanne-Schikane in die Barriere. Jegliche Hoffnung auf ein gutes Ergebnis war bereits nach wenigen Metern dahin.
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Isotta ist der Exot unter den Freibeutern
Das einzige private Projekt mit einem selbst entwickelten Auto ist Isotta Fraschini. Der Hersteller wurde 2022 wiederbelebt und sollte bereits im vergangenen Jahr mit dem Tipo 6 LMH-C in Le Mans an den Start gehen. Der Zeitplan war dem ACO allerdings zu ambitioniert. Isotta Fraschini kaufte viele Teile für sein Auto bei Zulieferern ein. Unter anderem greifen sie auf Brembo, Xtrac, Multimatic und den Motorenspezialisten HWA zurück. Das Chassis baut Michelotto, als Team fungiert Duqueine Engineering.
Angetrieben wird der Isotta von einem aufgeladenen Dreiliter-V6. Die Kombination mit einem Elektromotor an der Vorderachse macht aus dem Tipo 6 LMH-C einen Allradrenner. Das Auto mit der Startnummer 11 wird von den Fahrern Carl Bennett, Jean-Karl Vernay und Antonio Serravalle pilotiert.
Der Isotta Fraschini ist in diesem Jahr das einzige exotische Auto in Le Mans. Fans müssen auf Glickenhaus und Vanwall verzichten. Teambesitzer Glickenhaus will einen Start beim Klassiker nicht mehr finanzieren. Immerhin schafften die Amerikaner 2022 Platz drei. Das Team von Kolles hingegen zeigte sich gewillt – schien den ACO nach einem schwachen Debüt aber nicht überzeugen zu können. So oder so: Die Privatteams bleiben 2024 in Le Mans nicht als Statisten zurück. Das Motto lautet: „Allez, les petits!“