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Heinrich Brühl aus Hamm hat es im Fernsehen gesehen

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Vor 70 Jahren wurden Fritz Walter (oben links) und Horst Eckel in Bern Weltmeister. Heinrich Brühl aus Heessen verfolgte das Spiel im
Fernseher waren zur Zeit des „Wunders von Bern“ keine große Sache, wie dieses Exemplar aus dem Fußballmuseum in Dortmund rechts zeigt. © dpa

Heinrich Brühl war noch ein Kind, als er das „Wunder von Bern“ in Hamm im Fernsehen sah. Trotz der Jahre erinnert er sich noch gut an die Emotionen und die Atmosphäre des Spiels. Seine Geschichte ist ein lebendiges Stück deutscher Sportgeschichte.

Hamm – Fußball ist in diesen Tagen in Heessen in aller Munde, Borussia Dortmund hat gerade im Finale der Champions League gespielt, die Europameisterschaft in Deutschland steht vor der Tür und am Samstag feiert „Das Wunder von Bern“ auf der Waldbühne Premiere. Das Musical, das die deutsche Nachkriegszeit mit dem legendären Finale der Fußball-Weltmeisterschaft verwebt, das vor 70 Jahren in der Schweiz stattfand. Einer, der das Finale damals auf einem der sehr seltenen Fernsehgeräte gesehen hat, ist Heinrich Brühl aus Heessen. Hier spricht das langjährige Waldbühnenmitglied über seine Erinnerungen an eines der wichtigsten Ereignisse der deutschen Sportgeschichte.

Brühl war 1954 sieben Jahre alt, und er kann sich noch gut an den Jubel erinnern, der in der damaligen Gaststätte „Zum Lindenhof“ ausbrach, als der krasser Außenseiter Deutschland gegen die scheinbar unbesiegbare Jahrhundertmannschaft aus Ungarn mit Puskas, Hidegkuti und „dem Rechtsaußen“ Bozsik erst den 0:2-Rückstand ausglich, dann Rahn „aus dem Hintergrund“ das 3:2 erzielte und das Spiel für wenige Minuten „vorbei, vorbei, vorbei“ hieß.

Die oben zitierten Worte des Kommentators Herbert Zimmermann hörte er allerdings nicht, denn dieser sprach über das damals weit verbreitete Radio. Fernseher waren in den 1950er-Jahren eine Seltenheit. Weil der Lindenhof an der Ecke Herrenstraße/Sommerkamp eines der wenigen Lokale in Heessen war, das über einen solchen verfügte, pilgerten die Leute am Finaltag, dem 4. Juli 1954, dorthin.

„Mein Vater sagte, sie haben dort einen Fernseher“

Das heute nicht mehr bestehende Gasthaus gehörte dem Wirt Theodor Thiemann, weshalb es laut Brühl nur „Bei Thiemann“ hieß. Es war eine schöne und beliebte Gartenwirtschaft, in der jeden Sonntag unter Kastanien bei Eis und Kaffee getanzt wurde. Bergleute der Grube Sachsen, die aus Werries kamen, kehrten dort auf ihrem Heimweg ein – und dann gab es da noch so einen dieser modernen Fernsehkästen.

Vor 70 Jahren wurden Fritz Walter (oben links) und Horst Eckel in Bern Weltmeister. Heinrich Brühl aus Heessen verfolgte das Spiel im
Heinrich Brühl aus Heessen sah das Spiel im Restaurant „Zum Lindenhof“ in der Herrenstraße, wo heute ein Mehrfamilienhaus steht. © dpa

„Mein Vater hat gesagt, da haben sie einen Fernseher, da gehen wir hin“, erzählt Heinrich Brühl vom 4. Juli, dem Tag des Finales. Sein Alter, der früher eine Gärtnerei in der Heessener Dorfstraße betrieb, hatte sich bis dahin nicht für Fußball interessiert. Die Arbeit war wichtiger. Von der WM selbst, die am 16. Juni begonnen hatte, hatte der kleine Heinrich noch gar nichts mitbekommen. „Aber alle waren aufgeregt.“

„Der ganze Saal war voll, alle standen“

Also gingen Vater und Sohn am Nachmittag in den Lindenhof, obwohl Kinder in der Kneipe nicht erlaubt waren. „Der ganze Saal war voll, alle standen“, sagt Brühl. Erst vor ein paar Tagen hatte er zufällig Willi Ridder aus Heessen sagen hören, er habe die Show auch im Lindenhof gesehen. Er war ein paar Jahre älter, aber sie hatten sich damals noch nicht gesehen. Brühl bekam einen Platz ganz hinten in der Kneipe, so dass er im Gegensatz zu den anderen (alles Männer, versteht sich) freie Sicht auf den Fernseher hatte.

„Aber man konnte nicht viel sehen“, sagt er. Der Fernseher war vielleicht 50 mal 50 Zentimeter groß, schwarz-weiß, die Auflösung niedrig. Viele Erinnerungen hat Brühl an das Spiel nicht. Am Anfang sei es „relativ ruhig“ gewesen – kein Wunder, denn die Ungarn, die das Gruppenspiel 8:3 gewonnen und seit 1952 kein Spiel mehr verloren hatten, lagen durch Puskas und Czibor schon nach acht Minuten 2:0 vorne. Doch Deutschland kam schnell zurück, in der 18. Minute glich Rahn aus. „Als die Deutschen das erste Tor geschossen haben, wurde es lauter, und beim 3:2 explodierte die Stimmung“, sagt Brühl über Rahns legendäres Tor sechs Minuten vor Schluss. Bis zum Schlusspfiff war die Spannung spürbar. Dann war Deutschland zum ersten Mal Weltmeister.

Legendär sind die Bilder von der Heimfahrt der gefeierten Mannschaft im Sonderzug am nächsten Tag. Brühl bekam davon damals kaum etwas mit. Kurz nach dem Abpfiff ging er mit seinem Vater nach Hause, die Arbeit wartete. Das nächste Mal, dass der Mann aus Heessen fernsah, war Ende der 50er Jahre. Eine der großen Unterhaltungssendungen, für die die Familie die Nachbarn besuchte. „Wir hatten erst spät einen eigenen Fernseher“, sagt er. Doch sein erstes Mal vor dem Fernseher war ein legendärer Moment deutscher Geschichte.

Der letzte echte Weltmeister aus Bern ist kurz vor dem Jahreswechsel 2021 gestorben. Es war Horst Eckel.