BBL-Finale gegen München: Für Alba steht die Tür zum Titel plötzlich offen
BBL-Finale gegen München
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Für Alba steht die Tür zum Titel plötzlich offen
Di 11.06.24 | 15:53 Uhr | Ab
Für Alba Berlin ist mit dem Sieg im zweiten Spiel der Finalserie in München plötzlich wieder alles möglich. Gegen den großen Favoriten wird nun zu Hause eine enorme Anstrengung nötig sein, um tatsächlich für eine Überraschung zu sorgen. Von Lukas Witte
3:46 Minuten waren am Montag noch vom ersten Viertel zu spielen, als Bayerns Carsen Edwards einen Dreier zum 18:5 verwandelte. In diesem Moment waren die meisten Alba-Fans wohl schon darauf eingestellt, die zweite Niederlage ihrer Mannschaft in dieser Finalserie um die Basketball-Meisterschaft gegen München zu erleben und kurz vor dem Aus zu stehen.
Doch was folgte, war die wohl größte Berliner Überraschung der gesamten Saison. Mit unglaublicher Moral und einem hohen Energielevel drehte Alba die Partie, stahl den Münchnern im eigenen Stadion ein Spiel und machte den Heimvorteil zunichte.
Ein altbekanntes Erfolgsrezept
Dass Alba Berlin in einer Finalserie auswärts beim FC Bayern gewinnt und nun plötzlich mit Titelchancen in die beiden Heimspiele am Mittwoch (20.30 Uhr, live im Stream von rbb|24) und Freitag (18 Uhr) geht, hätte vor dem Start der BBL-Playoffs wohl niemand erwartet.
Zum einen, weil der Kader der Bayern in dieser Saison der qualitativ wohl beste ist, den die Bundesliga je gesehen hat. Zum anderen, weil die Basketballer aus der Hauptstadt nach dem Umbruch im vergangenen Sommer eine schwierige Saison hinter sich haben.
In der Euroleague stürzte man auf den letzten Platz ab und auch in der Bundesliga gab es immer wieder Ausreißer. Doch nun, in der entscheidenden Phase zum Saisonende, scheint Alba seine DNA wiedergefunden zu haben. Mannschaftsbasketball, Zusammenhalt, hohe Energie, tolle Moral und eine knallharte Defense – das waren in der Vergangenheit die Schlüssel, die es ihnen ermöglichten, von 2019 bis 2022 dreimal in Folge Deutscher Meister zu werden, obwohl sie nicht immer die meiste Qualität im Kader hatten. Und genau diese Spielweise ermöglichte in der Finalserie den Ausgleich.
Ohne Aufbauspieler – aber mit starker Abwehr
Der 79:70-Sieg am Montag war vor allem eine Gemeinschaftsleistung. Die seit Wochen andauernden Verletzungsprobleme erforderten von den verbliebenen Spielern besonderen Einsatz. Zumal die Liste der Ausfälle nicht kleiner geworden ist. In der Halbfinalserie gegen Chemnitz verletzte sich mit Martin Hermannsson der letzte Point Guard im Kader und absolute Schlüsselfigur im Team.
Dass bei den Berlinern derzeit die richtige Einstellung und Willensstärke vorhanden ist, zeigt das Beispiel Malte Delow deutlich. Gegen die Bayern sprang er in die ungewohnte Rolle des Point Guards ein und machte seine Sache richtig gut. Beim Sieg am Montag war er ein großer Faktor in der Defensive. In Windeseile eilte er von Abwehr zu Abwehr und erschwerte dem Gegner so den Abschluss.
Auch Coach Israel Gonzalez verfolgt einen ungewöhnlichen Ansatz: Wie schon im Halbfinale überraschte er seine Gegner immer wieder mit einer Zonenverteidigung. War diese gegen Chemnitz noch klassisch, griff der spanische Coach im zweiten Spiel gegen Bayern zu einer sehr raffinierten und ungewöhnlichen Variante, die seine Gegner zeitweise zur Verzweiflung trieb.
Ein Duo setzt sich durch
In der Offensive sind Sterling Brown und Matt Thomas derweil plötzlich nicht mehr zu stoppen. Brown überzeugte in den Playoffs durch sein solides Ballhandling und ist stark in Eins-gegen-Eins-Situationen. Am Montag konnte der US-Amerikaner viele Freiwürfe verwandeln, traf vier von sieben Dreipunktversuchen und erzielte 17 Punkte. Thomas, der Musterschüler, zeigte auch in München wieder seine Treffsicherheit. Im entscheidenden fünften Spiel gegen Chemnitz sicherte der ehemalige NBA-Profi mit unglaublichen Würfen den Einzug ins Finale, auch in Spiel zwei der Finalserie setzte er diese Form fort und steuerte erneut 21 Punkte zum Sieg der Berliner bei.
Zeigten beide in der regulären Saison – wie das gesamte Team – sehr unkonstante Leistungen, liefern sie aktuell konstant ab. Dass auf das Duo Verlass ist, kommt auch Johannes Thiemann zugute. Über weite Strecken der Saison lag viel Last auf den Schultern des Kapitäns und er galt als absoluter Leistungsgarant. In der heißen Phase der Saison kämpft er nun allerdings mit einer Patellasehnenreizung und ist nur bedingt einsatzfähig.
Umso wichtiger ist es, dass Brown und Thomas so gut spielen und Thiemann die Chance geben, sich weiter zu erholen. Am Montag lief es so gut, dass es sich Trainer Israel Gonzalez leisten konnte, den Weltmeister im letzten Viertel nur für eine Minute auf den Platz zu schicken. Schließlich muss er nicht nur für die aktuelle Finalserie wieder fit werden, sondern auch für die Olympischen Spiele im nächsten Monat in Topform sein.
München bleibt Favorit
Mit zwei Siegen in der Arena am Ostbahnhof könnte Alba nun den zwölften Titel der Vereinsgeschichte feiern. Doch schon ein Sieg würde reichen, um ein fünftes Spiel in München zu erzwingen. Zwar machen der Überraschungssieg vom Montag und die aktuell starken Leistungen Mut, doch Trainer Gonzalez tritt auf die Euphoriebremse.
„Es wird sehr, sehr schwer. Bayern hat unglaubliche Spieler und einen unglaublichen Trainer“, erklärt der Spanier. Auf die Frage, ob sich die Situation in der Best-of-Five-Serie beim Stand von 1:1 geändert habe und Alba nun den psychologischen Vorteil habe, antwortete er klar: „Nein, überhaupt nicht.“
Natürlich bleiben die Bayern allein aufgrund ihrer individuellen Qualität weiterhin Favorit und dürften jederzeit dominieren. Dennoch hat Alba eindrucksvoll bewiesen, dass sie durchaus in der Lage sind, die großen Favoriten zu schlagen. Und mit nur einem Heimsieg der Berliner könnte in dieser Serie plötzlich alles möglich sein.
Sendung: Der Tag, 11.06.2024, 19:15