EU-Fördermittel: Wo Brandenburg von Europas Milliarden profitiert

EU-Förderung

Wo Brandenburg von Europas Milliarden profitiert



Symbolbild: Erntehelfer aus Rumänien ernten am 12. Mai 2022 zum offiziellen Start der Brandenburger Erdbeersaison Erdbeeren. (Quelle: dpa/Soeren Stache)
Bild: dpa/Sören Stache

Ohne Direktzahlungen und Sonderprogramme der EU wären Agrarbetriebe in Brandenburg wohl nicht überlebensfähig. Aber auch andere Einrichtungen sind auf EU-Gelder angewiesen. Es stehen Milliarden auf dem Spiel. Von Ismahan Alboga

  • Seit Anfang der 1990er Jahre erhielt Brandenburg mehr als zwölf Milliarden Euro aus EU-Fördermitteln
  • Betriebe können oft nicht allein von Direktzahlungen überleben
  • Industrie beklagt komplizierte EU-Anträge
  • Hunderte Millionen Euro fließen derzeit in verschiedene Projekte in Brandenburg

Wenn man Andreas Bulligk, den Geschäftsführer der Agrargenossenschaft Radensdorf, auf EU-Subventionen anspricht, klingt es, als hätte er eine Hassliebe zu ihnen. Er kann anscheinend nicht wirklich mit ihnen leben, aber ohne sie auch nicht. Die Agrargenossenschaft Radensdorf gibt es seit 1991 in Lübben (Dahme-Spreewald), im südlichen Brandenburg. Seit 2000 wird sie ökologisch bewirtschaftet. Rund 50 Mitarbeiter kümmern sich um Viehzucht, Milchproduktion und ökologischen Landbau.

Auch die Agrargenossenschaft wird von der EU subventioniert. Und da läuft es seit vergangenem Jahr schief: Bis 2023 erhielt der Biohof im Schnitt jährlich rund 900.000 Euro aus Brüssel. Damit würden sie auch ihre Mitarbeiter bezahlen. Davon gibt es seit vergangenem Jahr nur noch rund die Hälfte an Direktzahlungen. „Die Differenz versuchen wir dann durch Umweltmaßnahmen auszugleichen“, sagt Bulligk.

Ökoprämie als Ergänzung zur Direktzahlung

Eine Herausforderung für den Radensdorfer Biohof. Die Landwirte erhalten sogenannte GAP-Fördermittel, die aus zwei Säulen bestehen: Direktzahlungen und Mitteln aus dem sogenannten ELER-Fonds für ländliche Entwicklung. Die Direktzahlungen sollen das Einkommen der Landwirte steigern und Arbeitsplätze erhalten. Der ELER fördert unter anderem freiwillige Agrarumwelt- und Klimaschutzmaßnahmen. Zum Beispiel die Stilllegung von Ackerflächen oder den ökologischen Landbau.

Die Abkürzung GAP steht für die Gemeinsame Agrarpolitik der EU, die seit 1962 besteht. Sie soll Landwirte unterstützen, um die Versorgung Europas mit Lebensmitteln sicherzustellen.

Geschäftsführer Bulligk kann auf die Subventionen nicht verzichten. Doch um die EU-Förderung zu erhalten, muss er sie jedes Jahr neu beantragen. „Die EU ist ein riesiges Bürokratiemonster. Bürokratieabbau existiert nur im Kopf, in der Realität ist alles viel schlimmer geworden“, sagt er. Neben den Direktzahlungen erhält der Biohof auch eine Ökoprämie von rund 650.000 Euro. Obwohl er diese im vergangenen Jahr beantragt hat, hat der Biohof diese Förderung für 2023 bisher nicht erhalten. Das ärgert den Geschäftsführer.

Landwirt will echten Bürokratieabbau

Die Unterstützung der EU für die brandenburgischen Landwirte ist beachtlich. Allein 717 Millionen Euro an ELER-Mitteln sind in der aktuellen Förderperiode 2023 bis 2027 für Brandenburg vorgesehen. Direktzahlungen an Brandenburger Landwirte im vergangenen Jahr: rund 352,6 Millionen Euro, so das Agrarministerium. Trotzdem ist Bulligk unzufrieden. „Vor allem seit der Agrarreform im vergangenen Jahr ist alles komplizierter geworden.“

Mit der Neuausrichtung hat die EU einen Teil der Einkommensbeihilfen für Landwirte gekürzt und an strengere Auflagen für Umwelt- und Klimaschutz geknüpft. Je mehr Öko-Vorschriften die Bauern einhalten, desto höher fällt die Subvention aus. „Das ist einerseits gut, wir können damit Geld erwirtschaften. Aber es ist alles deutlich komplexer und undurchsichtiger geworden“, sagt Bulligk.

„Die genehmigten Pläne sollen einen wesentlichen Beitrag zu den Zielen des europäischen Green Deals, der Farm-to-Fork-Strategie und der Biodiversitätsstrategie leisten“, heißt es auf der Website der Europäischen Kommission. [agriculture.ec.europa.eu]Statt Bürokratie abzubauen, sei es allerdings zu einem massiven Anstieg gekommen, kritisiert Bulligk. Durch die anstehende EU-Wahl hofft er unter anderem, dass es zu einem echten Bürokratieabbau kommt. „Wenn wir den Antrag für die Ökoprämie und für die Direktzahlungen gleichzeitig, zum gleichen Termin einreichen könnten, wäre das für uns eine große Hilfe.“

Auf die Subventionen aus Brüssel kann kaum ein Bauer verzichten. Würden sie ganz gestrichen, müssten fast alle Landwirte Insolvenz anmelden, sagt Bulligk.

Fahrradparkhaus und neue Brücke mit EU-Förderung

Doch nicht nur Landwirte in Brandenburg erhalten Millionenförderung von der EU: In der aktuellen Förderperiode gibt es auch viel Geld aus den sogenannten EFRE-Mitteln. 846,3 Millionen Euro sind für die Regionalentwicklung vorgesehen. Regionen, denen es wirtschaftlich nicht so gut geht, sollen unterstützt werden. Auf der Liste der vom Wirtschaftsministerium geförderten Projekte steht unter anderem das Fahrradparkhaus in Eberswalde. 1,7 Millionen Euro wurden hier aus EFRE-Mitteln bereitgestellt. So sind 604 Stellplätze für Fahrräder entstanden, mit dem Potenzial für einen modularen Ausbau auf bis zu 950 Stellplätze. Mindestens 53,2 Tonnen CO2-Emissionen sollen dadurch eingespart werden, hofft man.

Ein weiteres Projekt: die Fuß- und Fahrradbrücke über den Zernsee. Die Brücke verbinde Potsdam, Werder und Schwielowsee und sei damit ein wichtiger Baustein für nachhaltige Mobilität, heißt es in der Begründung. Auch hier standen EFRE-Mittel in Höhe von rund 6,6 Millionen Euro zur Verfügung. Nur zwei Beispiele aus zahlreichen Projekten. In der letzten Förderperiode 2014 bis 2020 profitierten laut Wirtschaftsministerium vor allem Landkreise und kreisfreie Städte wie Potsdam, Cottbus und Dahme-Spreewald vom EFRE. Die genannten erhielten dabei die meisten Mittel.

Dem Europäischen Sozialfonds (ESF) stehen in der aktuellen Förderperiode insgesamt 396,5 Millionen Euro zur Verfügung. Der Europäische Sozialfonds ist das wichtigste Instrument der Europäischen Union zur Förderung von Beschäftigung in Europa. Er soll den Zugang zu besseren Arbeitsplätzen verbessern. Zudem biete er Qualifizierungen an und fördere die soziale Integration, so die EU. Zu den geförderten Projekten gehört unter anderem der rote Ausbildungsbus der Arbeitsagentur. Er rollt durch Brandenburg und soll junge Menschen über attraktive Ausbildungs- und Praktikumsmöglichkeiten in der jeweiligen Region informieren.

Milliarden aus Brüssel

Ab 2021 erhält Brandenburg erstmals EU-Mittel aus dem Just Transition Fund (JTF). Insgesamt stellt Brüssel in der aktuellen Förderperiode 785 Millionen Euro für diesen Bereich zur Verfügung. [lausitz-brandenburg.de]Damit sollen die durch den Braunkohleausstieg verloren gegangenen Arbeitsplätze ersetzt werden. Zudem sollen neue Wachstumsperspektiven für die Region geschaffen werden. Finanzierbar sind laut Wirtschaftsministerium unter anderem Maßnahmen zur Gründung oder Umgestaltung von Unternehmen, zur Stärkung der Forschungsaktivitäten, zum Aufbau einer grünen Energieversorgung oder zur Aus- und Weiterbildung von Arbeitnehmern.

Nach Angaben des brandenburgischen Europaministeriums hat Brandenburg seit Anfang der 1990er Jahre 12,5 Milliarden Euro aus den europäischen Struktur- und Agrarfonds erhalten. Mit diesen Geldern wurden Projekte in den Bereichen Wirtschaft, Forschung, Innovation, Land- und Forstwirtschaft, Umwelt- und Naturschutz, Stadt- und ländliche Entwicklung sowie Soziales finanziert, so das Europaministerium.

Allerdings nehmen die Fördergelder aus Brüssel seit den 2000er Jahren ab. Grund dafür ist die im Vergleich zum EU-Durchschnitt positive wirtschaftliche Entwicklung.

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