In der Nationalmannschaft schwärmen alle vom Co-Trainer
Giorgio Contini bringt frischen Wind in die Nationalmannschaft.Bild: KEYSTONE
Im Nationalteam schwärmen alle von Assistenztrainer Giorgio Contini. Der 50-jährige Winterthurer hat einige Monate mit Ancelotti gearbeitet und kennt Englands Bellingham. „Ein unglaublicher Athlet“, sagt er. „Aber wir haben eine Chance im Viertelfinale.“
04.07.2024, 11:2104.07.2024, 12:55
Christian Brägger, Stuttgart / ch media
Fast schon zur Randnotiz wurde es, als der Schweizerische Fußballverband (SFV) Mitte Februar nach wochenlanger Suche bekannt gab, Giorgio Contini werde bis zum Ende der EM Murat Yakins neuer Assistent. Für die Schweizer Delegation in Deutschland erwies sich die Wahl als Glücksfall. Contini ist zu einer tragenden Figur geworden, auf und neben dem Platz sehr präsent. Und er ist mit dem gleichaltrigen Nationaltrainer befreundet, was für das Vertrauen wichtig ist.
Yakin und Contini verbindet nicht nur ihre Nationalmannschaft, sondern auch eine Freundschaft.Bild: KEYSTONE
Yakin sagt: „Wir haben identische Vorstellungen. Mir war es wichtig, jemanden zu haben, auf den ich mich verlassen kann. Giorgio sehe ich als gleichwertigen Partner und Co-Trainer.“ Das alles sind Beschreibungen, die auf seinen Vorgänger Vincent Cavin nicht zutrafen. Yakin fühlte sich mit dem französischsprachigen Mann an seiner Seite unwohl und unbehaglich. Und in seiner Analyse nach der EM-Qualifikation pochte er auf einen Wechsel. Auch um sich selbst zu stärken.
„Ich finde Contini großartig, er hat ein tolles Verhältnis zu uns und ist ein toller Motivator“
Silvan Widmer
Alle Spieler loben Contini
«Ich finde Contini super, er hat einen tollen Umgang mit uns und ist ein toller Motivator», sagt Silvan Widmer. Auch Captain Granit Xhaka ist voll des Lobes. Wie jeder Nationalspieler. Contini spricht deren Sprache und spricht fliessend Deutsch, Englisch, Französisch, Italienisch und Spanisch. Er ist ein Teamplayer, kommunikativ und klar in seinen Anweisungen. Nicht zu vergessen, dass der 50-Jährige zum positiven internen Klima beiträgt. Er sagt: «Als Trainer bist du der Fahrer des Schweizer Autos. Ich bin einfach für die Mannschaft da.»
Contini unterstützt Yakin im Training mit Elan und Enthusiasmus, feuert ihn an. Auch für einen Scherz ist er immer zu haben. „Die Nationalmannschaft war eine neue Herausforderung für mich. Ich hatte noch nie zuvor Spieler mit einer solchen Qualität trainiert und noch nie zuvor eine solche Unterstützung gespürt“, sagt er. Das Trainingslager im März in La Manga war ein gelungener Auftakt, Spieler und Betreuer merkten schnell, dass die Chemie und das Verständnis für die Trainerrolle stimmten. Contini fühlte sich, als wäre er schon lange dabei.
„Auch in der Defensive sind wir gut aufgestellt, das beginnt schon vorne im Angriff“
George Contini
Dass alles so kommen würde, konnte natürlich niemand ahnen. Überraschend dürfte es aber nicht sein. Der gebürtige Winterthurer war jahrelang Vereinstrainer und Fussballer und hat sogar schon ein Länderspiel bestritten. Das kam zustande, weil einige Spieler erkrankt waren. Contini spielte jahrelang als Stürmer beim FC St. Gallen und wusste, wo das Tor steht, nicht nur in der Meistersaison 1999/2000. Deshalb ist er für die Offensive des Nationalteams zuständig. Mit durchschlagendem Erfolg, erzielte er doch bisher sieben Tore an der EM. «Auch in der Abwehr, die im Angriff vorne ansetzt, sind wir gut aufgestellt», sagt er.
Auffälliger war Contini als Trainer, auch wenn ihm der ganz große Wurf fehlte. Er war bereits Yakins Assistent beim FC Luzern gewesen, der in der Saison 2011/12 überzeugte. Sie galten als harmonisches Duo, das auch Teile der Ausbildung gemeinsam in Magglingen absolviert hatte. Danach entwickelte sich Contini bei Vaduz und beim FC St.Gallen weiter. Sein Umfeld galt bei den Ostschweizern allerdings als schwierig, und trotz guter Leistungen musste er seinen Traumklub verlassen. Zuvor hatte es Contini noch zu zwei von ausländischen Eigentümern kontrollierten Klubs, Lausanne und GC, verschlagen, und auch dort machte er seine Sache wieder mehr als ausreichend.
Contini war zuletzt Trainer bei GCBild: KEYSTONE/TI-PRESS
Bei GC wollte Contini nicht mehr bleiben, seit Sommer 2023 war er arbeitslos. Seine freie Zeit genoss er daheim in Niederbüren mit seinen beiden Töchtern, bildete sich weiter und arbeitete im vergangenen Herbst vier Tage mit dem grossen Real-Madrid-Trainer Carlo Ancelotti. Dies kam über Kontakte zustande. Contini schwärmt von der sozialen Kompetenz, der natürlichen Autorität und der Ruhe, die Ancelotti ausstrahlt. Der Italiener hat bisher fünfmal die Champions League gewonnen.
„Mir wäre England als Gegner lieber, gegen die ist es mental leichter zu spielen. Gegen das große England wären wir der Spielverderber.“
George Contini
„Wir sind eigentlich voll ausgebildete Trainer. Aber man muss eine Verbindung zu den Spielern haben, zwischenmenschliche Verbindungen, um das technische Wissen vermitteln zu können“, sagt Contini. Es gehe um Führung und Management. Für Ancelotti steht nicht der Fußballer im Mittelpunkt, sondern der Mensch, dem es gut gehen muss, um Leistung bringen zu können. Natürlich spürt Contini auch Jude Bellingham bei Real, der am Samstag mit England gegen die Schweiz antritt. „Ein unglaublicher Athlet. Er läuft sogar am Tag nach einem Spiel Meilen.“
Er bevorzugt England als Viertelfinalgegner
Contini war es auch, der nach dem Sieg gegen Italien in der Mixed Zone sagte: „England wäre mir als Gegner lieber, mental sind sie leichter zu bespielen. Gegen das große England wären wir der Spielverderber.“ Das große England ist nun der Gegner im EM-Viertelfinale. Und sie seien individuell auf Topniveau, so Contini. „Wir werden über unser Kollektiv eine Chance haben – wir wollen England aus dem Gleichgewicht bringen, und dafür brauchen wir einen minutiösen Plan und eine gewisse Effizienz.“
Insider berichten, dass Contini ohne das Engagement für die Nationalmannschaft diesen Sommer wohl bei den Young Boys gelandet wäre. Der Vertrag beim SFV ist befristet und läuft nach der EM aus. Wie bei Yakin ist also alles offen. Und dass das Duo seinen Weg mit der Schweiz gemeinsam fortsetzt, ist gar nicht so abwegig.
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