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Deutschland zahlt mehr Geld in EU-Fonds ein, als es aus ihnen erhält – es ist ein sogenannter Nettozahler. Doch bedeutet diese Rechnung, dass es den Deutschen ohne die Europäische Union besser ginge?
Die EU finanziert ihren Haushalt vor allem durch Beiträge der Mitgliedsländer – und Deutschland gibt am meisten. Das ist keine Überraschung, denn Deutschland ist die größte Volkswirtschaft der Union und die Beiträge sind an die Wirtschaftskraft der EU-Mitgliedsländer gekoppelt. Nach Berechnungen des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) zahlte Deutschland 2022 insgesamt 19,7 Milliarden Euro mehr in den EU-Haushalt ein, als es erhielt – fast doppelt so viel wie der zweitgrößte Nettozahler Frankreich.
Auch wenn man den Pro-Kopf-Betrag betrachtet, ist Deutschland mit Abstand der Zahlmeister der EU. Die Hauptgewinner dieser Rechnung sind Polen und Rumänien: Sie erhalten in absoluten Zahlen das meiste Geld aus der EU-Kasse.
Ostdeutschland profitiert vom Kohäsionsfonds
Die beiden größten Brocken im EU-Haushalt: die Förderung der europäischen Landwirtschaft und der sogenannte Kohäsionsfonds. Diese beiden Kostenblöcke machen alleine fast zwei Drittel der EU-Ausgaben aus.
Der Großteil der Agrarsubventionen geht in Form von Direktzahlungen an die Landwirte. Die Höhe richtet sich nach der Betriebsgröße und ist kaum an irgendwelche Bedingungen geknüpft. Große Betriebe, denen es ohnehin oft besser geht als dem Durchschnitt, bekommen mehr. Deutsche Landwirte erhielten im vergangenen Jahr im Schnitt 156 Euro pro Hektar.
Der Kohäsionsfonds finanziert Projekte in strukturschwachen EU-Regionen – zum Beispiel Brücken, U-Bahnen oder Flughäfen. Damit soll die regionale Wirtschaft gestärkt und einheitlichere Wettbewerbsbedingungen innerhalb der Union geschaffen werden. Auch strukturschwache Regionen in Deutschland, etwa die ostdeutschen Bundesländer, profitieren von den EU-Fördermitteln.
Rennen quantifizierbar Vorteile
Dass die EU auch deutsche Projekte fördert, ändert nichts daran, dass Deutschland mit seinen Mitgliedsbeiträgen mehr Projekte in anderen EU-Ländern finanziert als im eigenen Land. Doch von einer simplen Verlustrechnung zu sprechen, greife zu kurz, sagt Samina Sultan vom Institut der deutschen Wirtschaft. Sie forscht zu Europa- und Fiskalpolitik und ist sich sicher, dass es Deutschland ohne die EU deutlich schlechter gehen würde: „Die EU ist für Deutschland sicher kein Verlustgeschäft. Man kann den Nutzen der EU nicht rein durch die Saldierung von Einnahmen und Ausgaben ermitteln.“
Es gebe viele Vorteile, die sich nur schwer quantifizieren ließen, sagt Sultan. Aber vor allem sei Deutschland ein großer Profiteur des EU-Binnenmarktes. 2022 lieferte Deutschland rund die Hälfte seiner Exporte in EU-Partnerländer. Der europäische Binnenmarkt ist der größte gemeinsame Markt der Welt.
Laut der Bundesregierung ist die EU für Deutschland ein „Wohlstandsmotor“. Die Zugehörigkeit zum Binnenmarkt mache das Land jährlich um rund 68 Milliarden Euro reicher – das heißt, unser Pro-Kopf-Einkommen erhöhe sich diesen Zahlen zufolge durch die EU um rund 1.000 Euro jährlich.
Negativbeispiel Brexit
Wozu ein EU-Austritt führen kann, zeigt Samina Sultan vom IW am bislang einzigen Beispiel Großbritannien: Ihrer Meinung nach hat der Brexit 2020 deutlich gezeigt, dass Nettozahler nicht zwangsläufig die Verlierer der EU sind. Nach Deutschland habe das Vereinigte Königreich am meisten Geld in EU-Fonds eingezahlt. Es sei einer der Gründe gewesen, warum die Briten ausgetreten seien.
Vier Jahre später, sagt Sultan, zeigten Studien den negativen Effekt des Brexits: „Schon nach wenigen Jahren sehen wir einen Einbruch der Wirtschaftsleistung von rund sechs Prozent. Und langfristig, ich rede von zehn bis 15 Jahren, sprechen wir von einem Verlust von zehn Prozent. Das würde etwa 400 bis 500 Milliarden Euro bedeuten.“
Bei einem Austritt Deutschlands aus der EU wären die Auswirkungen noch deutlicher als im Falle Großbritanniens, erklärt Sultan. „Bei einem Austritt Deutschlands aus der EU würden hier schätzungsweise 2,2 Millionen Arbeitsplätze verloren gehen. Die Verluste hier wären noch viel höher.“
Dies bedeutet: Auch wenn Deutschland zunächst mehr Geld in die EU-Kasse einzahlt als es herausbekommt, ist die Europäische Union für die deutsche Wirtschaft ein finanzieller Gewinn.